10. Dezember 2019 – 05. Januar 2020; Mexiko: Sinaloa, Nayarit, Jalisco, Michoacán, Guerrero, Oaxaca, Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán, Quintana Roo
1. Weihnachtsfeiertag 2019: Ziemlich übermüdet und verkatert sitze ich in einer schmuddeligen Imbissbude an einer der Hauptverkehrsstraßen von Acapulco… Ich warte auf fettige Quesadillas, in der Hoffnung sie werden das flaue Gefühl in meinem Magen etwas beruhigen und schlürfe währenddessen eine eiskalte Coke. Was war das gestern Abend für eine abgefahrene Weihnachtsparty? In einem Land, in dem das Auswärtige Amt von Reisewarnungen gar nicht genug bekommt, sind wir unglaublich herzlich aufgenommen worden, haben wundervolle Menschen kennengelernt und wurden gestern spontan zum Weihnachstfest einer uns bis dahin wildfemden Familie eingeladen – life is good!
Aber von vorne… Mitte Dezember kommen wir also auf dem mexikanischen Festland an und sind ziemlich gespannt. Im Gegensatz zur Baja California (auch als „Mexico light“ bezeichnet) soll es hier etwas anders zugehen. Uns sind einige Gerüchte zu Ohren gekommen, dass hier jetzt „aber wirklich niemand mehr Englisch spricht“, es von Straßensperren, korrupter Polizei und Kartellen nur so wimmelt und Sinaloa, der Bundesstaat in dem wir uns befinden, am schlimmsten von allen sei. Naja, wir können erstmal nichts dergleichen feststellen und fahren unbehelligt bis zu unserem ersten Platz, wo uns ein sehr netter und fließend englischsprechender Besitzer herzlich begrüßt. Dort verbringen wir zwei ganz entspannte Nächte und schmieden Pläne, was wir die nächsten zwei Wochen auf unserem Weg nach Acapulco alles anschauen wollen. Aber wie so oft sind Pläne dazu da, um umgeschmissen zu werden und schon am nächsten Tag landen wir wo ganz anderes als geplant :-).
Aufgrund verschiedener reisebedingter Verzögerungen (Wäsche trocknet selten so schnell wie gehofft, Großeinkäufe brauchen immer mindestens eine Stunde länger als geplant und Fotos sind nie „mal kurz“ bearbeitet) ist es schon später Nachmittag, als wir endlich aus der nächsten Stadt raus und weiter Richtung Süden kommen. Kurz entschlossen biegen wir ab auf die „Isla de la Piedra“, eine Halbinsel südlich von Mazatlan, wo wir bei einem kleinen Strandrestaurant einen günstigen und ruhigen Platz zum übernachten finden. Zwar stellen wir am nächsten Morgen fest, dass am anderen Strandende dann doch ziemlich viele Touris am Start sind, aber „unser“ Strandabschnitt eignet sind wunderbar zum Baden, Joggen und chillen, sodass wir noch ein bisschen länger bleiben – was für ein Luxus, so spontan sein zu können. Der einzige Nachteil sind die mittlerweile extrem hohen Temperaturen, die uns vor allem nachts und Zora tagsüber zu schaffen machen. Also beschließen wir in die Berge zu fahren, wo es zum einen deutlich kühler ist und zum anderen eine kleine Stadt mit einem vielversprechendem Namen liegt: Tequila.
Unsere Route durch 11 Bundesstaaten… …zu viel für ein Foto!
Auf unserem Weg nach Tequila, wo, wer hätte es gedacht, der Tequila herkommt, legen wir noch einen Stop bei einem wunderschönen Bergsee mit der klangvollen Bezeichnung „Laguna Santa Maria del Oro“ ein. Im Gegensatz zu den Stränden am Pazifik machen hier fast ausschließlich mexikanische Familien Urlaub und wir finden erneut ein nettes Plätzchen bei einem Restaurant direkt am See. Den Sonntag verbringen wir damit uns „zu integrieren“ und den, uns von den Familien vorgelebten Lifestyle zu gut wie möglich nachzuahmen; sprich unmengen leckeres Essen zu verspeißen, das ein oder andere Bier zu trinken und bei Anbruch der Dunkelheit ins Bett zu gehen. Nicht die schlechteste aller Sonntagsbeschäftigungen. Als wir am nächsten Nachmittag in Tequila ankommen und durch die kleinen Kopfsteinpflastergassen dieser entspannten Stadt schlendern, fühlen wir uns endgültig so wohl in Mexiko, dass wir beschließen auch auf dem Festland wieder frei zu übernachten. Wir finden eine ruhige Seitenstraße neben einer Tequila-Destillerie und das einzige was unsere Nachtruhe etwas stört, sind die durch die Luft wabernden Schnapsgerüche und gelegentlich ein LKW, der literweise Tequila zur Auslieferung abholt.
Der nächste Tag beginnt mit einer Führung (natürlich inklusive Tasting) durch eine der kleineren Destillerien. Im Gepäck haben wir bereits einen sehr hochwertigen Tequila für besondere Anlässe, wie die Herstellung dieses mexikanischen Klassikers funktioniert, wollen wir aber trotzdem noch einmal genau wissen. In der Destillerie „Tres Mujeres“ bekommen wir eine kleine Privatführung und spannende Einblicke, wie aus der blauen Agave in einer aufwendigen Prozedur hochwertiger Schnaps gewonnen wird. Danach benötigen wir erstmal ein deftiges mexikanisches Frühstück mit jeder Mege Tortillas, Bohnen und Eiern.
So gestärkt lassen wir die Metropole Guadelajara links liegen und versuchen ein paar Kilometer zu machen. Dementsprechend unspektakulär ist auch unser nächster Übernachtungsplatz in der Nähe eines Aqua-Funparks mit eigenem Hotel, etwas abseits der Haupstraße. Kurz überlegen wir noch zu fragen, ob wir auf dem Hotelparkplatz stehen können, verwerfen den Gedanken aber wieder, da wir uns sehr wohl fühlen und alle Menschen äußerst nett grüßen. Abends ziehen wir uns relativ bald in den Bus zurück, in den Bergen wird es früh kalt. Gegen 20 Uhr, wir wollen gerade mit der Abendessenzubereitung beginnen, klopfen zwei Polizisten an unsere Tür und erkundigen sich höflich was wir hier so machen würden und woher wir kämen. Und obwohl die Situation echt entspannt ist, scheinen unsere brüchigen Erklärungen auf Spanisch nicht ganz zufriedenstellend zu sein – kurze Zeit später rollen weitere sechs Polizisten auf einem Truck an. Die überprüfen diskutierend unsere Pässe, telefonieren mehrmals und wir fragen uns allmählich, worauf das ganze wohl noch rausläuft. Schließlich erklärt uns der offenkundige Chef, dass es hier für uns nicht sicher sei, sie den Manager des benachbarten Hotels angerufen hätten und wir dort für eine Nacht umsonst stehen sollen. Der sympathische Hotelmanager, offensichtlich aus seinem wohlverdienten Feierabend gerissen, bietet uns sogar noch ein Zimmer an – was wir gerührt, aber dankend ablehnen.
Am nächsten Morgen beschließen wir frühzeitig aufzubrechen, allzu sehr wollen wir die (aufgezwungene) Gastfreundschaft nicht beanspruchen. Als wir die Türe öffnen sehen wir auch schon wieder die Polizisten von gestern Nacht. Wir wurden mehrmals gefragt, wann wir planen weiterzufahren und offensichtlich wollte das niemand der Herren verpassen. Natürlich kann es für diese Situation die verschiedensten Erklärungen geben; wir beschließen einfach zu glauben, dass sie checken wollen ob alles ok ist. Also bedanken wir uns noch einmal für die Hilfe bei der Schlafplatzfindung, posieren für ein gemeinsames Foto und machen uns auf den Weg. Etwas seltsam war die ganze Begegnung zugegebenermaßen schon, aber es waren eindeutig die hilfsbereitesten und nettesten Polizisten, denen wir jemals begegnet sind.
Die nächsten vier Plätze an denen wir übernachten sind wie aus einem Reisekatalog für Mexiko: Bei den Cascada de la Tzararacua wandern wir zu wunderschönen Wasserfällen, die gleichzeitig als Freiluftdusche für uns fungieren; an der Playa Saladita finden wir nach einer abenteuerlichen Anfahrt einen Traumstrand ganz für uns alleine, wo wir unsere Hängematten auspacken und endlich mal wieder Feuer am Strand genießen (der schönen Stimmung willen, nicht weil es kalt wäre); an der Playa Troncones ist es nicht ganz so einsam, dafür ist Benny am Sehnsuchtsort einer seiner Lieblingsfilme (Stichwort „Die Verurteilten“); und landen schließlich bei der Playa Paraiso, wo wir mit einem kleinen Boot zu einem Festival am Strand übersetzen und alles nur so vor Leben und Energie brummt. Überschattet wird die Zeit leider davon, dass Zora ziemlich krank wird und nichts mehr Essen oder Trinken will. Einen Tierarztbesuch später und um ziemlich viele Pesos leichter wird uns bewusst, wie sehr uns die Kleine mittlerweile ans Herz gewachsen ist und auch, dass es doch noch einmal einiges an zusätzlicher Verantwortung bedeutet, einen Hund bei sich aufzunehmen. Aber das wichtigste ist, dass die Antibiotika gut anschlagen und Zora das schlimmste in Acapulco hinter sich hat.
Einen Tag vor Weihnachten sind wir da in Acapulco und ziemlich erleichtert, dass wir es rechtzeitig zu Lises Ankunft geschafft haben. Wir verbringen den Tag damit uns durch die Stadt zu kämpfen, diesmal wirklich einen kleinen Abzockeversuch der hiesigen Polizei abzuwehren, einen Großeinkauf für die nächste Zeit zu erledigen und übernachten schließlich an der klangvollen Playa Diamante, etwas außerhalb der Innenstadt. Hier führt die fabelhafte Marie mit ihrer Familie ein Strand-Restaurant und wir dürfen auf dem Parkplatz in einer Seitengasse stehen. Noch am selben Abend erreicht uns eine Nachricht von Lise: sie wird es pünktlich zum Weihnachtsfest schaffen, ihr Gepäck hängt allerdings noch irgendwo in Texas fest. Egal, die Wiedersehensfreude ist erst einmal rießig und als wir Marie vom verlorenen Gespäck erzählen, dürfen wir noch weitere Nächte bleiben und werden zur bereits eingangs erwähnten Familienweihnachtsparty eingeladen.
Etwa 50 Menschen essen, trinken, feiern und tanzen zur Musik, der eigens für diesen Zweck engagierten Liveband. Es wird wirklich ein denkwürdiger Abend… nicht nur die Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der wir im Familienbund aufgenommen werden, wird uns für immer in Erinnerung bleiben. Auch die Rettung hunderter Schildkrötenbabys, die plötzlich überall am Strand rumkrabbeln und die Beobachtung einer Rießenschildkröte, die ihre Eier legt und vergräbt, machen dieses Fest zu einem unvergesslichen Erlebnis. Und so ist es auch irgendwie nur halb so schlimm, das Lises Gepäck am nächsten Morgen immer noch nicht da ist und wir erst zwei Tage später als gedacht aufbrechen.
Wir fahren weiter entlang der Pazifikküste, mit dem ehrgeizigen Ziel in knapp zwei Wochen pünktlich für Lises Rückflug in Cancun zu sein. Trotz dieses engen Zeitplans übernachten wir erstmal zwei Nächte in El Coral am Strand – wir brauchen dringend Erholung von der Weihnachtsparty. Weiter geht es nach La Crucecita, wo wir zwei Bekannte aus Kanada wieder treffen wollen. Cheryl und Stew haben wir vor etwa einem halben Jahr in den Rocky Mountains kennengelernt, wo die beiden im Sommer leben. Das Winterhalbjahr verbringen sie seit einigen Jahren in Mexiko und wir freuen uns mega, dass es tatsächlich mit dem vereinbarten Wiedersehen in Oaxaca klappt. Leider bleibt uns nicht viel Zeit und insbesondere Benny ist etwas geknickt, dass er nicht noch einmal mit Stew Angeln gehen kann. Es sind insgesamt sehr lange und anstrengende Fahrten, die wir beinahe tagtäglich absolvieren – auf der Habenseite steht, dass wir in kurzer Zeit wirklich unfassbar viel von diesem abwechslungsreichen Land sehen.[1]
Nachdem wir uns (vorerst) vom Pazifik verabschiedet haben, der uns seitdem wir auf der Panamericana unterwegs sind fast unentwegt begleitet hat, geht es in die Berge in Richtung Karibik und Yucatan-Halbinsel. Pünktlich zu Silvester kommen wir in der (selbsternannten) Rebellions-Hochburg San Cristobal de las Casas in Chiapas an. Eine wunderschöne farbenfrohe Stadt auf über 2000 Metern Höhe, umrahmt von fruchtbaren Feldern und Kiefernwäldern. Im Gegensatz zu den heißen und mückigen Nächten an der Küste ist es hier richtiggehend kalt und feucht – was für eine willkommene Abwechslung! Zur Feier des Jahreswechsels gönnen wir uns gemeinsam eine Cabaña mit Bad, richtigen Betten, einer Küche und einem Kamin, von dem wir tatsächlich ausgiebig Gebrauch machen. Den letzten Abend dieses abgefahrenen, spannenden und unglaublichen Jahres kochen wir uns ein leckeres Essen und schauen zum ersten Mal das Video an, das unsere großartigen Familien, Freund*innen und Kolleg*innen für unsere Abschiedsparty vor mittlerweile einem ¾ Jahr für uns gedreht haben (Tränchen verdrücken inklusive). Anschließend feiern wir im Gemeinschaftsraum des Campingplatzes mit viel Tequila und Mezcal, Kaminfeuer und mexikanischen Traditionen ins neue Jahr.
Neujahr verbringen wir mit Fastfood, Filme gucken und vorm Feuer rumlungern und müssen deshalb am 02. Januar dringend weiter. Nur noch drei Tage bis zum Abflug und ordentlich Strecke liegt noch vor uns. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen und machen noch einen Zwischenstopp in Palenque – einmal Ruinen wollen wir auch mit Lise anschauen. Die Landschaft auf dem Weg dorthin von San Cristobal ist von unbeschreiblicher Schöhnheit. Auf kurvigen Straßen durchqueren wir die üppigen Dschungel, Berge und kleinen Dörfer von Chiapas. Doch trotz der Schönheit ist die etwa 220 km lange Fahrt eine nervliche Zerreisprobe: hunderte (!) Topes – kleine oder größere, gut oder schlecht ausgeschilderte, natürliche oder künstliche Geschwindigkeitsbegrenzungen in Form von Seilen, Bodenwellen, Schotter- und Teerhügeln – verlangsamen unsere Fahrt, sodass wir fast sieben Stunden für die kurze Distanz benötigen.
Zum Glück entschädigt uns der Dschungel um Palenque für so einiges: wie ich später lese, handelt es sich um einen der letzten und größten tropischen Regenwälder in der Region und wir werden von einer Luftfeuchtigkeit von fast 90% und dem furchterregenden Gebrüll der heimischen Brüllaffen begrüßt. Als wir die possierlichen, verhältnismäßig kleinen Affen dann auch zu Gesicht bekommen, bin ich doch etwas beeidruckt, welche krassen Laute diese Wesen von sich geben können. Die Ruinen von Palenque selbst sind nicht weniger beeindruckend. Früh morgens brechen wir auf, um diese bedeutende Mayastätte zu besichtigen. Vor allem der Blick über die Tempel und den Dschungel, den man von einigen Pyramiden auf die wir hochklettern genießt, ist ziemlich unbeschreiblich! Leider müssen wir noch am selben Vormittag weiter nach Campeche auf der Yucatan-Halbinsel – aber damit erreichen wir nach acht Monaten auch wieder den Atlantik. Ein abgefahrenes Gefühl, erneut an der Ostküste des amerikanischen Doppelkontinents zu sein.
Unseren letzten Abend mit Lise verbringen wir bei einer Cenote – eines dieser vielen unterirdischen Wasserlöcher, die dem kalkhaltigen Boden auf Yucatan zu verdanken sind. Sie besitzen eine beinahe mystische Ausstrahlung, zumindest diejenigen, die nicht zu einem völlig überlaufenen Tourismusziel geworden sind. Für die Maya sind diese Wasserquellen heilig und wir haben das Glück mit der Cenote Pueblo Fantasma eine der einsameren Höhlen gefunden zu haben. Nachdem wir aus vier Metern Höhe in das schier ungründlich scheinende, glasklare Wasser gehüpft sind, sind wir alle sehr zufrieden, aber auch etwas erschöpft: seit Mitte November haben wir über 5600 km zurückgelegt (davon 2000 km mit Lise in den letzten beiden Wochen) und sind einmal quer durch Mexiko gefahren. Es ist ein großes Land, viel größer als uns bewusst war – und ein schönes Land, viel schöner, als wir es uns jemals vorgestellt haben!
Ihr wollt mehr Fotos sehen? Die findet ihr hier…
[1] Lise, solltest du das lesen: Das nächste Mal wird gechillt – fest versprochen!!!
Hey lena und benny!
Wieder geil zu lesen, das macht lust auf mexico! Mittlerweile ist es zu einem ritual geworden, abends im bett euren blog zu lesen👍
Hoffe ihr habr weiterhin so ne tolle zeit😉
Gruss
Gerrit
Hey ihr Zwei,
es ehrt uns sehr, dass unsere Geschichten eure abendliche Bettlektüre sein dürfen :)! Mexiko war wirklich großartig ubd abwechslungsreich – drücken wir die Daumen, das man Mexiko und die Welt bald wieder bereisen kann…
Liebe Grüße