05. September – 12. Oktober 2021; Mexiko: Yucatan-Halbinsel
Nach 12 Monaten in Deutschland halten wir es nicht mehr länger aus und setzen unsere Reise in etwa da fort, wo wir sie im September 2020 unterbrochen haben. Ob das wahlweise verrückt, verantwortungslos oder naiv ist? Vermutlich mindestens eins von alldem! Aber wir haben so langsam das Gefühl, dass uns die „nuevo normalidad“, wie man den aktuellen Zustand in Mexiko nennt, noch für so einige Zeit begleiten wird. Also haben wir die Wahl: alles auf lange Sicht auf Eis legen, uns wieder eine ordentliche Bleibe und geregelte Arbeit in Deutschland besorgen oder uns mit dem zu arrangieren, was da kommen mag. Nun, ganz offensichtlich haben wir uns für letzteres entschieden. Ob das klug war? Wir werden sehen…
Ein Wiedersehen mit Cancun
Von einem befreundeten Piloten weiß ich, dass es mit der Berechnung der benötigten Benzinmenge für einen Flug eine heikle Sache ist. Gegenwind, Unwetter, Übergepäck etc. müssen einkalkuliert werden … klar, dass man sich da mal verschätzen kann. Allerdings sollte man meinen, dass die erfahrenen Crewmitglieder von Condor, die die Strecke Frankfurt – Cancun gleich mehrmals die Woche fliegen, einen verhältnismäßig simplen 11-Stundenflug entsprechend berechnen können, oder? Als es nach neun Stunden Flug, umringt von einer 40-köpfigen (!) Hochzeitsgesellschaft aus Düsseldorf, dann heißt: „Zwischenlandung in Havanna, weil Benzin trotz des Rückenwindes knapp“ werden wir eines Besseren belehrt. Naja, dann also runter auf 500 m und plötzlich wieder hoch – was ist da denn los? Das Spiel wiederholt sich noch zweimal, ehe die vertrauenserweckende Ansage aus dem Cockpit kommt, dass wir aufgrund eines Unwetters nicht landen können und einen anderen Flughafen auf Kuba anfliegen müssen. Nun bin ich wahrlich kein Mathegenie, aber selbst mir ist folgende Rechnung klar: Wir konnten den einstündigen Weiterflug von Havanna nach Cancun wegen Benzinknappheit nicht fortsetzen; jetzt sind wir bald 50 Minuten in der Luft gekreiselt. Da stimmt doch was nicht…
Naja, da ich diese Zeilen schreibe ist es offensichtlich gut gegangen. Uns sind bei der 2-stündigen Tankpause allerdings die Nerven durchgeknallt. Klar ist die Aussage man solle beim Tankvorgang sitzen, aber den Gurt offenlassen, um im Falle eines Notfalls (aka explodierende Tankleitung) schnell aus dem Flugzeug fliehen zu können, sehr lächerlich. Interessiert die nette Hochzeitsgesellschaft aber nicht, wieso sitzen wenn man auch spazieren gehen kann (die sind zugegebenermaßen sowieso nicht mehr meine besten Freunde, nachdem sie mich den kompletten Flug erfolgreich durch „Gesäß an bzw. in meinem Gesicht vorbeischieben“ vom Schlafen abgehalten haben). So muss der arme Hund halt noch zwei Stunden länger alleine im Frachtraum verbringen.
Als wir nach insgesamt fast 24 Stunden Reisedauer dann endlich bei unserem Appartement für die erste Woche ankommen, sind wir erstmal einfach nur glücklich, dass der Hund noch lebt und uns anscheinend auch noch halbwegs mag. Wir haben noch nicht einmal registriert, für wie lange wir in Mexiko bleiben dürfen und selbst das überteuerte und lasche Bier aus dem Restaurant nebenan schmeckt in diesem Moment paradiesisch!
Autokauf in Mexiko
Wir waren lange hin und her gerissen, ob wir nicht doch wieder unseren Kleinen Onkel verschiffen sollen, schlussendlich haben die Argumente dagegen aber überwogen (Kosten für Verschiffung; emotionale Bindung, falls wir wieder irgendwo festhängen und über Land nicht ausreisen dürfen; allgemeiner Straßenzustand in Kombi mit „Rentenalter“ unseres Bullis). Normalerweise ist der Van-Gebrauchtwagenmarkt in der Gegend von Cancun nicht der Schlechteste: viele Reisende beenden hier ihren Trip und versuchen ihre Autos wieder loszuwerden. Allerdings bekommen wir die Auswirkungen der aktuellen Reisebeschränkungen zu spüren: es gibt viel weniger Angebote, als noch vor 1 ½ Jahren. Was es aber gibt, ist das Auto unseres Freundes Jo, der uns bei unserer ersten Reise für einige Zeit in Guatemala besucht hat. Anschließend war er so überzeugt von dieser Art des Reisens, dass er sich in Mexiko ein Auto gekauft hat um selbst loszuziehen. Dazu sollte es leider nicht kommen: ohne es jemals getestet zu haben, musste er zwei Wochen später, im März 2020 zurück nach Deutschland (Corona etc.). Sein Auto hat er währenddessen bei Leuten in Tulum gelassen. Danach wurde die Kommunikation mit ebendiesen Leuten allerdings etwas schwierig, sodass er (und wir) uns nie so ganz sicher waren, ob das Auto noch existiert.
Vor Ort in Mexiko gestaltet sich die Kontaktaufnahme dann überraschend einfach: zwar hat das Auto zwischendrin mal die Besitzerin gewechselt, wir bekommen aber ihre Nummer und vereinbaren einen Treffpunkt für die Übergabe. Und auf den ersten Blick ist es tatsächlich Jos Karre, die wir eine Woche nach Ankunft in Mexiko am Straßenrand von Tulum übernehmen. Auf den zweiten Blick ist es zwar immer noch sein Auto, allerdings hat die Campingtauglichkeit extrem gelitten: die Zusatzbatterie ist weg, was allerdings fast schon wieder egal ist, da die Solaranlage durch eine runtergefallene Kokosnuss komplett im Arsch ist; das ganze Campingequipment rostet oder schimmelt wahlweise und das Auto selbst ist das reinste Chaos. Zudem leuchtet andauernd die „Check Engine“ Lampe, laut der Vorbesitzerin allerdings nicht weiter schlimm, sie selbst sei trotzdem immer damit gefahren…
Hinzu kommt, dass es weder eine gültige Registrierung (die muss man einmal jährlich erneuern – quasi KfZ-Steuer) oder Versicherung besitzt (auch in Mexiko obligatorisch). Kurz versuchen wir das in Jos Namen zu klären, kapitulieren aber fast im selben Augenblick. Dazu muss der Besitzer nämlich vor Ort sein, was er nicht ist. Also fahren wir die 130 km (bereits nach 20 km leuchtet wieder freundlich die Erinnerung „Check Engine“ auf) nach Cancun und sind sehr froh, über die getönten Scheiben und das mexikanische Kennzeichen, wenn wir an einer der zahlreichen Polizei-Kontrollstationen vorbeikommen. Dort wurden wir mit unserem Bus und deutschen Kennzeichen damals immer zu gut 80% angehalten.[1] In Cancun kommt die Karre erstmal zum Mechaniker unseres Vertrauens – bevor wir das Ding „kaufen“, wollen wir zumindest ansatzweise sichergehen, ob es uns nach Panama (und zurück) bringen könnte.
Währenddessen nehmen wir Kontakt mit einem „Gestor“ auf. Dieser Agent hat damals schon Jo geholfen, als Tourist eine Auto-Registrierung zu bekommen. Das ist in Mexiko in nur sehr wenigen Staaten möglich, weswegen wir auch mit Nummernschildern aus Guerrero rumfahren. Clemente, der Gestor, erhält von uns per WhatsApp (!) also nun so viele Daten und Fotos, dass er vermutlich direkt Bennys Identität übernehmen könnte und es nicht einmal mehr mir auffallen würde ;-). Naja, Vertrauen heißt das Schlüsselwort, auch wenn die ausnahmslose Kommunikation über WhatsApp das ein wenig erschwert. Zunächst meint er, er benötige drei Tage bis wir die „Tarjeta de Circulacion“ (was nun wieder mit dem Fahrzeugbrief zu vergleichen ist) bekommen. Haha, selbst schuld, dass wir das glauben und unsere Planung darauf ausrichten. Es wird ein ständiges Auf und Ab der Gefühle in den nächsten Tagen, mal sieht alles super und total easy aus, dann wissen wir wieder nicht mal ansatzweise wo uns der Kopf steht, vor lauter Schwierigkeiten und Rückschlägen. Was uns dabei hilft nicht völlig durchzudrehen, sind zum einen Edgar (Tierarzt) und Antonio (KfZ-Mechaniker), die wir noch von unserem ersten Cancun-Besuch kennen. Vor allem Edgar hilft uns wo er nur kann, stellt uns seine Adresse, seine Kontakte und seine exzellenten Englischkenntnisse jederzeit zur Verfügung. Zum anderen haben wir irgendwo tief in uns das Vertrauen, dass es schon funktionieren wird – hat es bis jetzt ja auch immer irgendwie!
Gegen Ende September ist das Vertrauen dann aber langsam auf eine harte Probe gestellt: zwar ist das Auto nach einigen Reparaturen jetzt einigermaßen am laufen (einigermaßen bedeutet, dass es fährt, eine TÜV-Zulassung aber trotzdem eher unwahrscheinlich wäre), von unserem Gestor haben wir nach über einer Woche aber immer noch nichts gehört. Zudem müssen wir (mal wieder) aus unserem Appartement raus und haben langsam auch die Schnauze voll, vom touristischen und lauten Cancun. Da wir an der Situation aber trotzdem nichts ändern können beschließen wir, dass es Zeit für einen kleinen Urlaub wird. Weit wollen wir ohne Autopapiere nicht fahren, was liegt da also näher als die 13 km entfernte Isla Mujeres gegenüber von Cancun? Etwa zwei Stunden nachdem wir uns für vier Tage ein Zimmer gebucht haben, erhalten wir die Nachricht, dass das Auto jetzt auf Bennys Namen zugelassen ist. Wir überweisen die Registrierungs- und Kommissionsgebühr am nächsten Kiosk (geiles System) und Clemente versichert uns, dass er das Päckchen noch am gleichen Tag losschickt. Es scheint alles in bester Ordnung zu sein, für unseren Kurzurlaub auf der Insel. Endlich kommen wir mal raus aus der Stadt…
Reif für die Insel
… und rein ins Chaos! Die gerade mal 7 km lange und maximal 650 m breite Insel vor den Toren Cancuns ist offensichtlich nicht mehr ganz so beschaulich, wie uns Freunde das von ihrem Aufenthalt vor einigen Jahren berichtet haben. Für uns hat das Chaos aber weniger mit dem Massentourismus à la Ballermann, als viel mehr mit dem massiven Verlust unseres kompletten Kühlmittels direkt bei der Ankunft zu tun. Da Sonntag ist, bleibt uns tatsächlich nichts anders übrig als abwarten und Bier trinken. Währenddessen versuchen wir, mehr oder weniger erfolgreich, unsere Erinnerungen an den geschrotteten Kühler unseres VW-Buses in Guatemala zu verdrängen. Die nächsten drei Tage fasse ich jetzt einfach kurz zusammen: montags fahren wir zum Mechaniker, er ersetzt einen völlig kaputten Schlauch (zum Glück nur das); abends holen wir das Auto. Nach 1 km ist wieder alles Kühlwasser raus. Wir fahren zurück, am Dienstag ist der nächste Schlauch und Kühlmittelanschluss ausgetauscht. Wir holen das Auto, nach kurzer Zeit pfeift es sehr fürchterlich aus dem Motorraum. Zurück zum Mechaniker (Mittwoch), ein weiterer Schlauch ist undicht.[2] Am Donnerstag, dem letzten Tag unseres „Urlaubs“ auf der Isla, können wir das Auto dann tatsächlich ohne Pfeifen und Kühlmittelverlust abholen.
Nebenbei haben wir mal vorsichtig bei unserem Agenten nachgefragt, ob er für uns vielleicht eine Nummer zur Nachverfolgung des Päckchens hat. Als er sich 20 Stunden später zurückmeldet erfahren wir, dass das Päckchen leider noch gar nicht unterwegs ist… gab wohl nicht näher definierbare Probleme. Glücklicherweise haben wir bei unseren zahlreichen Probefahrten über die Insel ganz im Süden einen Spot gefunden, der weder von Hotels noch Vergnügungsparks zugebaut ist. Wir beschließen also ein paar Tage auf der Insel dranzuhängen. Währenddessen, so hoffen wir, können wir dann auch noch das Thema mit der KfZ-Versicherung klären. Der erste Versicherungsagent hat uns abgesagt, weil wir nur ein Tourismusvisum haben; die zweite Agentin zeigt sich aber zuversichtlich.
Dann also unser erster Wildcampingtest mit Ruby (wie wir unser Allrad-„geschoss“ getauft haben). Der erste Eindruck wird etwas getrübt, weil wir uns beide ein kleine Lebensmittelverstimmung zugezogen haben und uns ein Tag lang ziemlich kotzig zumute ist. Aber an und für sich genießen wir das Draußen-Zuhause-Gefühl und schlafen gar nicht mal so schlecht, wenn man die stürmische Nacht und unsere exponierte Schlafposition im Dachzelt bedenkt. Als in der nächsten Nacht dann allerdings noch Starkregen zum Wind dazukommt, stellen wir fest, dass wir ein weiteres Problem haben: ab einer Niederschlagsstärke, die „leichte Schauer“ übersteigt, verwandelt sich unser Bett in einen Swimmingpool. Da müssen wir uns dringend noch was einfallen lassen…
Aber es gibt auch gute Neuigkeiten: unsere Zulassung ist endlich bei unserem Freund Edgar, wir haben ein Angebot für die KfZ-Versicherung zugeschickt bekommen und einen Termin in einer der besten Kastrationskliniken Cancuns für Zora. Die Entscheidung, ob wir sie kastrieren lassen oder nicht war der letzte (sehr unangenehme) Punkt auf der langen ToDo-Liste für den Neustart unserer Reise. Es geht also nochmal für eine gute Woche zurück in die Stadt, um die hoffentlich letzten Dinge zu erledigen, bevor wir endlich wieder unterwegs sind.
Die letzten Vorbereitungen
Sonntagnachmittag kommen wir bei unserem letzten Appartement an: es liegt in einem Wohnviertel und weit abseits der touristischen Highlights. Uns gefällt es trotzdem gut hier, laute Musik, lebendige Nachbarschaft; Katzen, Hunde und Kinder toben durch die Straßen. Zora übersteht die Kastration soweit auch gut, nur die „Fajita“ irritiert uns ein bisschen: wir dachten eigentlich immer, dass sei etwas zu Essen. Offensichtlich wird so aber auch der Polyesteranzug genannt, in den der arme Hund danach für 7 Tage eingewickelt wird.
Nur die Versicherung bereitet uns schon wieder Probleme… es ist eigentlich alles fertig, dann will die Agentin nur noch kurz unsere Adresse in Mexiko wissen. Tjaaaaa, an dem Punkt waren wir schon mal. Kurz: mit Tourivisum keine Adresse, ohne Adresse keine Versicherung. Hat sie wohl zu Beginn überlesen, das kleine Detail. Erneut erweist sich Edgar als Retter in der Not: er „leiht“ uns kurzerhand seine Postleihzahl und bittet einen Nachbarn um Hilfe. Ob das alles jetzt zu hundertpro mit rechten Dingen zu geht, wollen wir eigentlich gar nicht so genau wissen… Fakt ist: das Auto ist auf Bennys Namen registriert und wir haben eine Versicherung für ein Jahr! Damit sind (soweit wir wissen) alle Bedingungen für eine reibungslose Reise erfüllt. Also was den Papierkram für das Auto angeht zumindest ;-).
Fazit: insgesamt 6 Wochen haben wir gebraucht, bis wir in Cancun alles für unseren zweiten Panamericana-Trip erledigt haben. Wir hatten befürchtet, dass es noch sehr viel länger dauern würde und trotzdem kam es uns manchmal vor wie eine halbe Ewigkeit. Umso glücklicher sind wir, dass es jetzt endlich wieder heißt: „Hit the road, Baby“.
Mehr Bilder gibt´s wie immer hier
[1] Ehrlicherweise aber fast immer nur aus Neugierde und um ein wenig zu plaudern!
[2] Wie Roberto, unser Mechaniker, das rausfindet? Er nimmt kurzerhand nen abgeschnittenen Gartenschlauch, hält sich das eine Ende ins Ohr und horcht den Motor sorgfältig ab 😉