08. Dezember 2021 – 06. Januar 2022
Es gibt immer wieder Länder, die einen auf unerklärliche, aber magische Art und Weise anziehen. Nicaragua war für uns so ein Land und die Vorfreude dementsprechend groß. Schon vor der Einreise hatten wir eine Lange Liste an Wunschzielen und To Do´s geplant: Vulkanbesteigungen, Spanischkurs, Kitesurfen lernen, Citytrips und vieles mehr hatten wir uns vorgenommen. Aber wie das auf Reisen (und eigentlich ja auch im Leben) halt öfter mal so ist, kommt es meistens anders!
Grenzübergang nach Nicaragua also: schlimmste Horrorstorys haben wir gehört… Von einem unendlichen, komplizierten und höchst bürokratischen Prozedere haben wir gelesen… Auf stundenlanges Warten haben wir uns eingestellt… Entgegen aller Befürchtungen verläuft die Einreise nach Nicaragua dann aber ziemlich entspannt. Anders als auf honduranischer Seite, wo wir geschlagene 2 Stunden und mit mindestens 100 dicht gedrängten Menschen anstehen müssen, um unseren Ausreisestempel zu bekommen. Einziger kleiner Dämpfer: wir bekommen zwar die restlichen 45 Tage Aufenthalt, die wir in den C4-Staaten (= Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua) noch übrighaben; das Auto muss allerdings in 30 Tagen wieder draußen sein. So schrumpft unser Zeitbudget für die ganzen fantastischen Dinge, die wir uns anschauen wollen schon zu Beginn erheblich zusammen. Aber egal, jetzt sind wir drin und das wird direkt nach der Grenze an einem kleinen Restaurant mit Pool gefeiert. Scheinbar ist unsere gute Laune ansteckend – gleich mehrere Menschen fragen uns, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen. Das finden wir zwar etwas befremdlich, aber warum nicht.
Los geht´s: Volcano Wonderland
Nach einer ziemlich lauten Nacht, wobei wir eher mit Hähnen ohne Zeitgefühl, denn mit der lauten Partymucke zu kämpfen haben, sehnen wir uns nach ein bisschen Ruhe und Natur. Über eine Schotterpiste steuern wir unseren ersten Vulkan in Nicaragua an und finden unterhalb ein wunderschönes Fleckchen Erde, wo wir die nächsten Tage stehen dürfen. Ulices, der Besitzer, holt uns am ersten Morgen ab und wir bekommen nicht nur unser erstes „Gallo Pinto“ (Reis mit Bohnen, aber irgendwie anders als Reis mit Bohnen weiter nördlich) zum Frühstück, sondern auch gleich eine Führung durch das nahe gelegene Dorf. Dort werden wir zahlreichen Familienmitgliedern vorgestellt; beobachten, wie aufwendig noch heute die Ernte und das Dreschen von Bohnen per Hand abläuft und kommen mit Ulices Tochter ins Gespräch, deren Ehemann sich zurzeit auf dem Weg in die USA befindet. Je weiter wir in Richtung Süden fahren, desto häufiger hören wir die Geschichten von Menschen, die sich auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben Richtung Norden aufmachen. Vermutlich jede Familie hat mindestens ein Mitglied oder kennt jemanden, die oder der gerade unterwegs ist… es sind teils ganz schön krasse Geschichten, die die Menschen sehr offen mit uns teilen.
Als wir am nächsten Morgen los Richtung Vulkan wollen, ist Benny ziemlich krass erkältet (die Menschenmassen an der Grenze lassen grüßen) und benötigt dringend einen Ruhetag. Also bleiben wir noch ein wenig länger in der kleinen Oase, wir haben ja schließlich Zeit denken wir uns. Entgegen der ursprünglichen Idee, den ganzen Weg hochzuwandern, eine Nacht im Zelt auf dem Vulkan zu campen und am nächsten Morgen wieder abzusteigen, entscheiden wir uns dann aber doch, wenigstens einen Teil der Strecke mit dem Auto zu fahren. Die „Straße“ hat es aber wirklich in sich: nicht nur, dass sie ohne Allradantrieb und mit ordentlich Bodenfreiheit nicht befahrbar wäre, sie ist auch richtig richtig steil. Und hier bemerken wir wieder einmal die fehlende Power unseres Autos. Nur noch einmal, flehen wir Ruby an, dann kümmern wir uns endlich um dich. Irgendwann müssen wir dann aber die Notbremse ziehen und beschließen ganz einfach da zu campen, wo wir gerade sind. Als wir um 14 Uhr Richtung Gipfel aufbrechen, stellt sich das als absolut richtige Entscheidung raus. Es ist eine wunderschöne, aber wirklich noch einmal anstrengende Wanderung die restlichen vier Kilometer bis zum Kraterrand des Vulkans Telica. Aber wie es sich gelohnt hat! Oben angekommen schauen wir direkt in den Schlund des Vulkans. Der Wind pfeift wie verrückt, schwefelige Nebelschwaden ziehen aus der Tiefe herauf und spätestens das beständige Brodeln erinnert uns daran, dass wir an den Kraterabbrüchen eines höchst aktiven Vulkans stehen. Sehr eindrucksvoll und ganz schön gruselig, um ehrlich zu sein. Nach einer halben Stunde ehrfurchtsvollem Staunen, wandern wir auf die andere Seite des Vulkans und beobachten, wie die Sonne langsam im Pazifik untergeht. Die einzige Gesellschaft sind ein paar grasende Pferde und umherflatternde Fledermäuse – es ist einer dieser perfekten, mit Worten nicht zu beschreibenden Reisemomente!


Im letzten Tageslicht werfen wir dann nochmal kurz einen Blick in den Vulkan und sehen jetzt tatsächlich auch das Glimmen der Lava, bevor wir uns in völliger Dunkelheit an den Abstieg wagen (was besonders meinen über Jahre trainierten Reflexen zu sicherem Verhalten am Berg hart widerspricht). Als wir wieder beim Auto ankommen, sind wir so platt, dass uns nicht einmal mehr die zahlreichen, handtellergroßen Spinnen noch wirklich stören. Benny, noch immer leicht erkältet, fällt fast umgehend ins Bett, während ich noch zu geflasht bin und ein bisschen lese… Ein plötzliches Geräusch direkt über meinem Kopf, lässt meinen Adrenalinpegel dann noch einmal ordentlich nach oben schnellen: da sitzt ein unfassbar niedliches Tier, mit langem rattenähnlichem Schwanz und übertrieben großen runden Kulleraugen. Zwei Tage später finde ich heraus, dass ich tatsächlich ein Koboldmaki gesehen habe – eigentlich sehr menschenscheue Artgenossen und extrem vom Aussterben bedroht. Hello wildlife…
12 Tage in Léon
Nach diesem fantastischen Erlebnis ist es an der Zeit, dass wir uns um Ruby kümmern. Wir haben Ulices von unserem Problem erzählt und er fährt mit uns zur Werkstatt eines Freundes im nahegelegen Léon. Und hier begehen wir jetzt einen Fehler, der uns für lange Zeit begleiten wird: wir gehen in eine Werkstatt, obwohl das Auto eigentlich ja ganz gut fährt und nur ein kleines Problem mit der fehlenden Power hat. Bis zum heutigen Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe (immerhin fast 6 Wochen später) ist alles täglich nur schlechter geworden – also was das Auto betrifft… und da ich wirklich überhaupt keine Lust habe, den ganzen Frust, die Wut und die äußerst nervenaufreibenden Tage noch einmal zu durchleben, beschränke ich mich auf eine kurze Zusammenfassung der folgenden Tage bezüglich der Autogeschichte: wir waren bei zwei Mechanikern, es wurden über 15 verschiedene Teile gewechselt, zweimal wurde das komplette Getriebe aus- und wieder eingebaut, wir haben sicher an die 40 Stunden in der Werkstatt verbracht, 9 Tage Zeit verloren und mehrere hundert Euro investiert. Das Ergebnis: das Auto läuft, wie schon erwähnt, wesentlich schlechter als vor dem ersten Werkstattbesuch; es fehlt ein Ersatzteil, das weit und breit nicht aufzutreiben ist; der Motor geht regelmäßig einfach aus und, das Beste kommt natürlich ganz zum Schluss, damit wir starten können, müssen wir von Hand zwei Kabel im Motorraum verbinden und anschließend wieder trennen (sonst können wir nicht fahren). Wie wir die Karre so in Panama verkaufen sollen, ist uns noch ein wenig ein Rätsel, aber a) müssen wir da ja erst einmal hinkommen und b) dann halt mal weiterschauen…
So, jetzt aber zu den schönen Seiten unseres Aufenthalts in Léon – die gab es nämlich zum Glück auch. Da unser Auto (und damit Bett) soviel Zeit in der Werkstatt verbringt, suchen wir uns notgedrungen eine andere Unterkunft und finden ein sehr nettes Hostel, wo Zora sich auch gleich mit der Hündin des Besitzers anfreundet. Im zumeist sehr heißen Léon hat sich ein Architekturstil durchgesetzt, der in fast jedem Haus einen großzügigen und offenen Innenhof vorsieht. In der Mitte des Innenhofs findet sich häufig ein Springbrunnen oder Pool – wie auch in unserem Hostel. Hier kann man wunderbar faulenzen, die Sonne bzw. den Schatten genießen und bei einem kühlen Bier im Pool planschen, was der Seele vor allem nach täglich schlechteren Auto-Nachrichten sehr zuträglich ist. Einziges Manko des Hostels ist, dass es keine Küche gibt, was durch die zahlreichen diversen Restaurants der Stadt allerdings wieder ausgeglichen wird. Während unserer Zeit hier gehen wir mexikanisch (naja, oder so ähnlich), kubanisch, amerikanisch und orientalisch essen; jeden Morgen gibt es ein Pain au Chocolat und Kaffee aus dem französischen Bistro „Pan y Paz“; wenn wir ab und zu mal einen Blick auf unseren Kontostand werfen, stellen wir uns unser Essen an einem Buffet der vielen typisch nicaraguanischen „Comedor“ zusammen und tun dabei auch gleich ordentlich was für den Kohlehydrathaushalt :).





Aber auch kulturell hat die wunderschöne und trotzdem leicht abgerockte „Hauptstadt der Revolution“ so einiges zu bieten: eines Abends stoßen wir per Zufall auf ein Freiluftkonzert des hiesigen Kirchenchors, das von wunderschön (Bariton, Chor und Mozart) bis hin zu absolut schrecklich (Sopran, Jingle Bells und Mitklatschen) alles im Repertoire hat. An einem anderen Abend findet auf der weihnachtlichen Plaza ein, für uns nicht ganz so weihnachtliches, Mariachi-Spektakel statt, das nur noch von einer Salsa-Parade der örtlichen Tanzschulen à la Carneval in Rio am Weihnachtsvorabend getoppt wird. Mehr Livemusik finden wir unter anderem in den zahlreichen Hostels und Bars der Stadt: eine Coverband bemüht sich nach Kräften, die größten Rockhits aller Zeiten neu zu interpretieren; ein Freund von uns aus Honduras, rappt uns spät in der Nacht und nach einer Menge Billard und Bier seine neusten Hip Hop Kreationen vor und nicht zu vergessen sind natürlich auch die zahlreichen Straßenmusikanten, die Skater mit ihren Boomboxen und die „Konzerte“ der Kirchenglocken, zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Schließlich noch ein Wort zur Geschichte: Léon ist sehr stolz darauf, die erste Stadt der Revolution zu sein und dieser Stolz spiegelt sich nicht nur in den zahlreichen Graffitis und Denkmälern wieder, sondern kann auch lebhaft im „Museo de la Revolucion“ erfahren werden. Dorthin mache ich eines Nachmittags einen Ausflug und obwohl das Museum aus kunstpädagogischer Perspektive vermutlich eher durchfallen würde, ist es ein sehr eindrucksvoller Ort. Das liegt vor allem auch an meinem (persönlichen) Guide, der al 15-jähriger Junge selbst im Widerstand gekämpft und dafür mit Inhaftierung und Folter bezahlt hat. Dementsprechend lebendig vermittelt er mir die Geschichte der Sandinistas, der Revolution Ende der 1970er und Anfang 1980er Jahre und schließlich dem Wahlsieg der FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) und Daniel Ortegas in den 2000ern. Ich verzichte an dieser Stelle jetzt mal bewusst auf eine nähere Erklärung und Positionierung zu den politischen Strukturen in Nicaragua, gestehe aber, dass ich nach dem Gespräch und den persönlichen Erfahrungen meines Guides seine, zutiefst antiimperialistische Haltung zum einen und große Verbundenheit mit der FSLN zum anderen, nachvollziehen kann. Bei unseren Unterhaltungen mit einigen jungen und sehr gut ausgebildeten Nicaraguanern, hören wir dann die kritischen Stimmen und die große Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. In diesen Momenten sind wir froh auch einmal länger an einem Ort zu bleiben: für tiefgründigere Gespräche und Einblicke in das tatsächliche Leben der Menschen, muss man sich tatsächlich erst einmal ein bisschen besser kennenlernen.



Aber genug der ernsten Themen, eine Sache die ziemlich weit oben auf unserer To Do-Liste steht, lässt sich tatsächlich am Besten von Léon aus machen – Volcano Boarding! Irgendein verrückter Franzose kam vor ein paar Jahrzehnten auf die Idee, den „Cerro Negro“, einen aktiven Vulkan vor den Toren der Stadt, mit seinem Motorrad runterzufahren. Ein paar Modifikationen später, ist das legendäre Sandboarding geboren, wo man, in gelbe Overalls gesteckt und auf einem Brett sitzend ebendiesen Vulkan runter brettert. Laut einer berühmten Medienredaktion die Nummer 2 auf der Liste „most thrilling things to do on vacation“. Da wir das Ganze aufgrund des fehlenden fahrbaren Untersatzes nicht selbst in Angriff nehmen können, beschließen wir ausnahmsweise eine Tour zu buchen und landen so auf einem Pickup mit 30 anderen Backpackern – und Zora. Die wollten wir eigentlich im Hostel lassen, wo sich der Besitzer bereit erklärt hat, sich ein bisschen um sie zu kümmern. 30 Minuten später muss der Arme allerdings völlig entnervt den Touranbieter anrufen, da Zora das komplette Hostel voll gejault hat. Umso entspannter und im Genuss der Aufmerksamkeit aller anderen Reisenden ist sie dann, sobald wir Richtung Vulkan fahren. Während wir mit unserer Ausrüstung und den Sandboards die 45 Minuten auf den Vulkan hochlaufen, passt netterweise einer der Fahrer auf sie auf. Oben angekommen genießen wir noch ein wenig die erneut fantastische Aussicht, bevor wir in unsere „Minionskostüme“ schlüpfen, die Skibrille aufsetzen und den, doch ziemlich steil aussehenden Hang innerhalb von ca. 1 Minute wieder runter düsen. Fazit: kann man definitiv machen, auch wenn der absolute Adrenalinkick bei uns ausgeblieben ist!
Weihnachten bei 35°C
Am 23.12.2021 ist es dann soweit: wir gehen ein letztes Mal zu unserem Mechaniker Tito. Der hat sich die letzten Tage echt an unserem Auto abgearbeitet und schließlich einen sehr kreativen Weg der Fehlersuche als letzten Versuch eingeschlagen. Und zwar hat er alle Teile unseres Autos, die für das Ruckeln, Stottern und Kraftverlust zuständig sein könnten, mit den entsprechenden Teilen eines anderen Isuzus ausgetauscht (Danke an die uns unbekannte Freundin, die bei diesem Schmarrn mitgemacht hat). Es ist Titos letzte Idee, die Ursache zu finden, danach ist er, nach eigener Aussage, mit seinem Latein am Ende. Und siehe da, das Tage lange Schrauben hat tatsächlich etwas gebracht… immerhin die erste halbe Stunde, so lange der Motor kühl ist, fährt Ruby jetzt wieder so einigermaßen. Dass das kaputte Teil in Nicaragua nicht auffindbar ist, hatte ich ja bereits erwähnt. Dafür ist sich Tito (fast) sicher, dass wir so bis nach Costa Rica kommen und es dort (ziemlich) sicher das Ersatzteil gibt. Ich bin so froh, dass wir überhaupt weiterfahren können, dass ich Tito unter einigen Freudentränchen erst einmal um den Hals falle.
Bevor wir uns allerdings wieder an die langen Strecken wagen, wollen wir noch eine Probefahrt in der Umgebung machen. Und was eignet sich da besser, als an Weihnachten einen Kurztrip an den Strand zu machen?! Der ist nämlich nur 20 km weit weg, wir waren in Nicaragua aber noch nicht einmal am Meer. Gemeinsam mit Ruben, einem witzigen Typ mit dem wir uns seit einigen Tagen ein Dorm teilen (das Privatzimmer ist uns auf Dauer dann doch etwas zu teuer geworden und Ruben hatte nichts gegen einen Hund, der gelegentlich unter seine Bettdecke springt), verbringen wir einen extrem entspannten Tag am Meer, genießen die gigantischen Pazifikwellen und lassen Weihnachten Weihnachten sein – genau nach unserem Geschmack! Abends hauen wir dann aber doch noch das Weihnachtsgeschenk von Bennys Mama auf den Kopf, in dem wir uns zu dritt ein sehr leckeres Essen in einem der besten Restaurants der Stadt gönnen – begleitet von Paraden, Partymusik und knallbunten Lichtern. Hier wird Weihnachten „feiern“ eben sehr wörtlich genommen.
Feuerwerk mal anders
Am nächsten Tag geht es dann endlich weiter. Uns bleiben nur noch 10 Tage und es steht noch eine ganze Menge auf der Liste – also rein ins Vergnügen! Naja, ehrlich gesagt sind wir ganz schön nervös und haben nicht so richtig Lust auf Autofahren. Es ist der erste Weihnachtsfeiertag, was den Vorteil hat: die Straßen sind so gut wie leer. Der Nachteil: die Straßen sind so gut wie leer! Heute wäre liegen bleiben also ziemlich unvorteilhaft. Wir schaffen es aber ganz gut bis in die Hauptstadt, ab da ist das Fahrgefühl dann eher mit einem Autoscooter auf dem Jahrmarkt vergleichbar. Aber egal, irgendwie schaffen wir es bis zum Volcano Masaya. Dieser Vulkan ist berühmt dafür, dass man bei Dunkelheit direkt in den Vulkanschlund und die darin befindliche höchst aktive Lava sehen kann. Wir sind uns nicht so ganz sicher, ob sich die 10 US-Dollar Eintritt wirklich lohnen, aber wir werden nicht enttäuscht. Um halb fünf dürfen wir in den Park (davor ist die Tagschicht dran; ist zwar günstiger, aber dafür darf man dann abends nicht bleiben – seltsames System) und fahren bis auf den Parkplatz direkt am Kraterschlund. Zum Licht der untergehenden Sonne wandern wir erst einmal durch die wunderschöne Vulkanlandschaft und zählen vom höchsten Punkt des Parks tatsächlich 8 Vulkane und 4 Seen. Das Land trägt seinen Namen schon zurecht. Zurück am Kraterrand sehen wir lediglich 300 Meter unter uns die Lava brodeln und fließen – ein Dank an die ziemlich laxen und auch irgendwie fragwürdigen Sicherheitsvorschriften. Wieder so ein Anblick, den wir wahrscheinlich unser ganzes Leben nicht vergessen werden.



Nach so viel aktivem Vulkangeschehen führt uns unsere Wunschliste zur Laguna de Apoyo, dem Kratersee eines inaktiven Vulkans mit kristallklarem Wasser. Wir haben ein wenig unterschätzt, wie steil es den Kraterrand runtergeht und in welchem Zustand die Straße ist (obwohl man sich das ja zugegebenermaßen hätte denken können) und sind uns, unten angekommen, nicht so ganz sicher, ob Ruby es auch wieder den Berg rauf schafft. Aber da wir an dieser Situation naturgemäß jetzt nichts mehr ändern können, genießen wir erst einmal drei Nächte lang das wild campen direkt am Seeufer, die entspannte Stimmung mit den Locals und den ersten selbstgemachten schwäbischen Kartoffelsalat, seit wir unterwegs sind.
Isla de Ometepe
Es ist für uns jedes Mal wieder aufs Neue faszinierend, wie viele Menschen, Fahrzeuge und Waren in Zentralamerika auf kleinstem Raum zusammengedrängt passen. Als wir am Hafen auf die Fähre zur Isla de Ometepe warten und das Verhältnis zwischen Fähre (sehr klein) und den wartenden Fahrzeugen / Menschen (sehr viele) betrachten, sind wir auf jeden Fall nicht gerade optimistisch noch mit drauf zu kommen. Aber wie schon so oft, werden wir eines Besseren belehrt und Ruby findet zwischen Matratzen, Coca Cola Kisten und Zementsäcken auch noch einen Plätzchen – so eingepfercht kann das Auto bei dem erstaunlich hohen Wellengang für einen See wenigstens nicht über Bord gehen. Der Wellengang macht während der einstündigen Überfahrt dann auch mehr Benny und Zora zu schaffen, die Belohnung lässt aber nicht lange auf sich warten. Die Insel ist die weltweit größte vulkanische Insel in einem Süßwassersee und mal wieder ein wundervolles, grünes und verhältnismäßig ruhiges Fleckchen Erde. Da uns im Hinblick auf das bevorstehende Silvester ausnahmsweise mal nicht so ganz nach Ruhe zumute ist, fahren wir zu einem Restaurant direkt am See. Hier treffen sich die Locals der Insel täglich zu Tanz und Feierei, vom frühen Nachmittag, über die wunderschöne Sonnenuntergangszeit bis tief in die Nacht hinein.
Zwei Tage lang, während wir hauptsächlich die Seele baumeln lassen und uns den Trubel eher von der Hängematte aus anschauen, bestätigt sich der Ruf der diesem Platz vorauseilt – wir stellen uns auf eine krachende Silvesterparty ein. Aber siehe da, nach einem grandiosen letzten Sonnenuntergang 2021 leeren sich Restaurant und Strand und gegen 22 Uhr sind wir dann fast alleine. Bei dieser Ruhe kann ich mich nur schwer auf den Beinen halten und das erste Mal seitdem ich denken kann, verpenne ich Silvester einfach. Gar kein schlechtes Konzept eigentlich ;-)… Ausgeruht und völlig unverkatert begrüßen wir das neue Jahr mit einer Kajaktour durch die Mangrovenwälder der Insel, leider ohne die versprochenen Kaimane und Brüllaffen, aber dafür mit umso mehr Vögeln und Schildkröten. Mit Mühe und Not ergattern wir am nächsten Tag schließlich noch einen Platz auf der Fähre zurück aufs Festland. Da wir für Zora einigen Papierkram erledigen müssen bevor sie ausreisen darf (völlig bescheuert ehrlich gesagt, aber da sie länger als 72 Stunden im Land war, nicht zu umgehen) stehen wir ein wenig unter Zeitdruck und sind zunächst leicht gestresst, als uns verkündet wird, für die nächsten zwei Tage sei kein Platz mehr frei. Frühes Aufstehen, stundenlanges Anstehen und Beharrlichkeit zahlen sich schlussendlich aber zum Glück aus.


Um einige unerfreuliche Lehrstunden bezüglich unnötiger Bürokratie reicher und einige Dollar ärmer, können wir die nötigen Papiere für Zoras Ausreise organisieren und verbringen die letzten Tage in Nicaragua am Meer – das ist für unseren Geschmack in den letzten Wochen eindeutig zu kurz gekommen. Der Playa Maderas ist einer der Top Strände Nicaraguas zum Surfen, eigentlich also nicht so ganz unser Metier. Aber dort haben Freunde eines Freundes in den letzten Jahren ein kleines Surfcamp im Dschungel aufgebaut und die wollen wir gerne noch besuchen. Glücklicherweise eignet sich der Strand nicht nur zum Surfen, sondern ist auch für die schwimmende und faulenzende Fraktion genial und die Sonnenuntergänge sind einfach der hammer. Abends trifft sich die Surfszene am Strand, um dieses fantastische Schauspiel bei einem Bier zu bewundern oder die letzten Wellen mitzunehmen. Und auch wenn wir hier so einigen recht eigenwilligen Charakteren begegnen, ist es für uns ein versöhnlicher Abschied von Nicaragua. Fazit unserer Zeit in diesem Land: weniger To Do-Listen auf Reisen machen und immer schön „tranquilla“.
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Hey mein Bruderherz & Lena,
dass ist wieder mal einer dieser tollen und wunderschönen Berichte, welche ich so gerne lese!
Es ist detailliert, humorvoll und lebendig geschrieben, so dass man sich sehr leicht mit auf die Reise begeben kann, wenn auch nur imaginär 😉
Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft, Kreativität und liebe Menschen!
Ich vermisse euch, bis hoffentlich ganz bald!
LG Andy
Liebster Andi,
das freut uns ganz arg! Wir vermissen Dich auch und hoffen, irgendwann auch mal gemeinsam mit Dir loszuziehen…