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Kapitel 20: Oh wie schön ist Panama

  • Beitrags-Kategorie:Reiseberichte
  • Lesedauer:18 min Lesezeit

15. Februar – 10. März 2022

2 Jahre, 10 Monate und vier Tage nachdem wir in Deutschland zu unserer großen Reise aufgebrochen sind, erreichen wir endlich Panama – das hatten wir uns ein wenig einfacher vorgestellt. Aber wir sind überglücklich und können es kaum fassen, dass wir unser Ziel, trotz so „kleiner“ Widrigkeiten wie einer Pandemie, Grenzschließungen, unzähligen Pannen und ziemlicher Blauäugigkeit, was das Reisen mit einem Hund betrifft, erreicht haben.

Es war ein stetiges Mantra der letzten Monate: komm schon Ruby, bis Panama schaffst du es noch! Dementsprechend glücklich sind wir Mitte Februar als wir ziemlich problemlos in das südlichste Land Zentralamerikas einreisen. Auch der „Umweg“ über die Karibik hat sich gelohnt, denn anders als am Grenzübergang an der Pazifikküste will hier niemand ein vorher ausgefülltes Formular sehen mit dem wir bestätigen, dass wir willens sind 136 US Dollar für die Einfuhr unseres Hundes zu bezahlen. Stattdessen wechseln 25 Dollar den Besitzer und alle sind zufrieden. Dank der Zeitverschiebung sind wir sehr früh dran und beschließen noch ein bisschen Strecke zu machen… besagte Strecke entpuppt sich als landschaftlich wunderschöne Straße entlang der Karibikküste, der Zustand des Belags und das ständige auf und ab sind aber nichts für schwache Nerven. So sind wir ehrlich gesagt auch ein bisschen froh, dass Willow und Lee (siehe letztes Kapitel) unser Angebot ablehnen sie abzuschleppen. Die beiden treffen wir am Straßenrand, wo sie einen Tag zuvor mit ihrer Ruby liegen geblieben sind und seitdem auf den Abschleppdienst warten.[1] Nachdem wir uns vergewissert haben, dass sie mit allem nötigen versorgt sind, fahren wir noch bis zu einem winzigen Dorf an die Küste, wo wir vor einem netten kleinen Restaurant umsonst übernachten dürfen. Trotz des entspannten Grenzübertritts sind wir ziemlich erschöpft von den letzten Tagen und da es im Restaurant neben Piña Coladas auch noch fantastischen frischen Fisch und Meeresfrüchte gibt, bleiben wir ganz einfach ein bisschen länger.

Die letzten Kilometer

Nach weiteren zwei Tagen schwüler, mückiger und regnerischer Karibik nehmen wir aber endgültig Abschied. Die nach wie vor hügelige und von Schlaglöchern gespickte Straße führt uns einmal quer durchs Land, von der saftig grünen Karibikküste, durch eine Dschungellandschaft hoch in die Berge, vorbei an zahlreichen Wasserfällen (die im Gegensatz zu Costa Rica alle umsonst zu betrachten sind) und bis zum höchsten Punkt, wo es kaum noch Bäume, dafür aber umso mehr Steine gibt. Bergabwärts kommen wir zunächst noch durch wunderschöne Pinienwälder, schnell wird es aber staubig, trocken und sehr heiß: wir sind zurück am Pazifik – so schnell kann es gehen. Der Besitzer des Campingplatzes, den wir uns nach mehreren Tagen Wildcampen gönnen wollten, stellt sich als einer der wenigen super unfreundlichen und arroganten Menschen heraus, denen wir während unserer Reise begegnen. Dann lieber noch einen Tag ohne Dusche, wir fahren an einen kleinen Aussichtspunkt, der mit einem fantastischen Ausblick auf den Pazifik punktet, allerdings einige Abzüge in der B-Note aufzuweisen hat: sehr uneben, kaum Platz das Auto zu parken und direkt an der Straße. Wir begnügen uns mit einem frühen und einfachen Abendessen und hauen uns ziemlich schnell hin, wir sind platt nach der Fahrt und außer gucken kann man hier auch nicht so arg viel machen. Die Nacht wird so lala, um 23 Uhr werden wir herzinfarktverdächtig von Partymucke aus dem Schlaf gerissen, gegen drei Uhr teilen uns hupfreudige Kollegen mit, was sie von unserer Campingaktion am Straßenrand halten (offensichtlich nicht so viel) und nur wenig später wird die Nacht von den benachbarten Hähnen endgültig beendet – naja, dafür waren wir ja früh im Bett.

Unser nächster Spot ist da das reinste Kontrastprogramm. Nachdem wir in der nächsten größeren Stadt die weniger aufregenden Dinge des typischen Reisealltags erledigt haben (Wäsche waschen, Wasser auffüllen, Großeinkauf) fahren wir zu einem evangelischen Jugendcamp, das auch für Reisende einen Übernachtungsplatz gegen eine kleine Spende anbietet. Wir landen auf einem riesigen Gelände mit kleinen Ferienhütten, einem See und Fußballfeld und haben all das die meiste Zeit völlig für uns alleine. Rauchen ist hier nicht erlaubt, also wird sich wieder wie früher hinter dem Klohäuschen versteckt – ist irgendwie ganz witzig. Aufgrund organisatorischer Notwendigkeit bleiben wir ganze drei Nächte, versuchen irgendwie den Autoverkauf weiter voranzutreiben und schmieden erste Pläne, wie es nach Panama für uns weitergeht. Zwischendrin bekommen wir (ich) immer mal wieder leichte Panik, ob das mit dem Verkauf auch alles glatt gehen wird. Laut einschlägigen Gruppen in diversen sozialen Medien hat das letztens meist nicht mehr so gut funktioniert. Klar, notfalls könnten wir Ruby auch in einer dunklen Straßen abstellen und dem Schicksal seinen Lauf lassen, nur hat Benny so einen netten auffälligen Stempel in seinen Pass bekommen, der besagt, dass er das Land nicht ohne das Auto verlassen darf – puhh!

Aber gut, was eignet sich besser zur Verdrängung vorerst nicht lösbarer Probleme, als ein schattiges Plätzchen am Meer mit einem kühlen Bier in der Hand? Richtig, nicht viel… wir fahren erneut zu einem Restaurant und auch hier dürfen wir umsonst campen. Die einzige Bitte ist, dass wir morgens eine halbe Stunde beim Laub rechen und Müll aufsammeln am Strand helfen – das ist ein Deal, den wir mit größter Freude annehmen. Unser Programm in den kommenden Tagen sieht also in etwa wie folgt aus: Aufstehen, Kaffee trinken, Müll einsammeln, Strandspaziergang, Hängematte, Baden, unter einer der hauseigenen Palapas chillen, Bier trinken, Abendessen, Schlafen. Was für ein Leben!

Panama City – endlich am Ziel

Eintrag aus meinem Notizbuch vom 24.02.2022: „Incroyable, da fahren wir über die „Puente de las Americas“ und dann sind wir plötzlich da! Am Ziel… also an einem Ziel… Zwischenziel, aber doch irgendwie Ziel! Ziemlich geheult kurz, einfach unfassbar… Schön & traurig!“

Wir sind also tatsächlich in Panama City und weiter wird es mit Ruby auch nicht gehen. Anfangs hatten wir noch darüber nachgedacht, das Auto entweder nach Südamerika zu verschiffen oder aber mindestens zurück nach Mexiko damit zu fahren. Im Laufe der letzten Monate ist aber deutlich geworden: weder die kostspielige Verschiffung, noch die Reise zurück über erneut sechs Grenzen wollen wir mit diesem alten Auto machen. Die logische Konsequenz ist also der Verkauf in Panama was aber, ich hab es bereits angedeutet, schwierig bis schei** aussieht. Dem nächsten Mechaniker erscheint eine Reparatur kaum noch sinnvoll zu sein, da müsse man viel Geld und Zeit investieren bei sehr ungewissem Ausgang. Der Verkauf an andere Reisende fällt damit so gut wie flach: wer will schon eine kaputte Karre kaufen, wenn man auf dem Weg ins Abenteuer ist. Zudem ist der Verkauf eines mexikanischen Autos, in Panama, mit einem deutschen Besitzer an andere Reisende mit anderweitiger Staatsbürgerschaft nicht so ganz problemlos. Mehr oder weniger die letzte Option wäre, das Auto an jemanden aus Panama zu verkaufen, die oder der es dann importiert. Blöderweise sind die Importgebühren horrende und übersteigen zugegeben den Restwert des Autos deutlich. Eine vertrackte Situation also, in der wir sehr froh sind mit Alejandro und seiner Overland Embassy nicht alleine zu sein.

Alejandro ist vor einiger Zeit selbst die Panamericana von Panama bis nach Alaska gefahren und hat es sich nach seiner Reise mit der Overland Embassy zur Lebensaufgabe gemacht, andere Reisende bei allen organisatorischen Fragen rund um Verschiffung, Reparatur, Kauf und Verkauf von Autos in Panama City zu unterstützen. In einem Industriegebiet etwas außerhalb des Stadtzentrums dürfen wir die nächsten Tage vor seiner Werkstatt stehen und die Atmosphäre ist irgendwie ganz cool, auch wenn die Duschsituation etwas schwierig (in Badezeug mit Gartenschlauch) und die Klosituation nachts regelrecht herausfordernd ist, sobald die Werkstatt zu hat. Aber wir erhalten von Alejandro haufenweise Kontakte und Tipps für den Verkauf von Ruby. Nebenbei ist er übrigens ein super cooler Typ und wir verbringen fast jeden Abend der nächsten knapp zwei Wochen gemeinsam, tauschen Reisegeschichten aus, trinken das ein oder andere Bier und haben trotz der komplizierten Situation eine ziemlich gute Zeit.[2] Sein Laden ist außerdem ein kleines Mekka für uns sogenannte Overlander geworden, sodass wir auf einen ganzen Haufen andere Reisende treffen. Die meisten sind mit den Vorbereitungen der Verschiffung ihres Fahrzeugs über den sogenannten Darien Gap nach Südamerika beschäftigt, planen für sich selbst den Flug oder Segeltörn nach Kolumbien und sind voller Vorfreude auf den großen neuen Kontinent, der sie erwartet. Das stimmt uns naturgemäß gelegentlich irgendetwas zwischen neidisch und traurig… dass uns viele fragen, ob wir uns „wirklich sicher seien“, dass wir unseren Trip in Panama (vorerst) beenden, macht es in diesen Momenten dann auch nicht wirklich besser.

Der Panamakanal und wie das Leben manchmal so spielt

Nach vier Nächten im Industriegebiet und ohne nennenswerte Verkaufserfolge beschließen wir nochmal auf eine kleine Tour mit dem Auto zu gehen. Wir machen einen Wochenendausflug an den Panamakanal, Schiffe gucken. Zur Feier des Tages öffnen wir die extra dafür aufgesparte Flasche Sekt, sitzen am Wasser und schauen uns eine Doku über den Kanal an, während die riesen Frachter im Hintergrund vorbeifahren – Bildung muss schließlich sein :). Bei einem Besuch im „Canal Museum“ einige Tage später beschäftigen wir uns dann aber auch noch einmal etwas ernsthafter mit diesem architektonischen Wunderwerk und den Kosten (sowohl an Leben und Lebensraum, als auch an Geld), die dieses Unterfangen eingefordert hat. Es ist zwar eigentlich nur Wasser mit ein paar Schleusen und trotzdem beeindruckend, wenn man sich die Bedeutung und Konsequenzen des Kanals für die Menschen in Panama deutlich macht.

Zurück in der City geht dann plötzlich alles ganz schnell: wir finden einen Käufer für das Dachzelt und den Kühlschrank und kurze Zeit später ist auch unser restliches Campingequipment verkauft. Damit sind die Würfel gefallen, es gibt kein Zurück mehr. Aus verschiedenen Gründen, von denen das Wetter und die Lust die ausschlaggebendsten sind, kommt eine direkte Rückkehr von Panama nach Deutschland nicht in Frage, also buchen wir uns einen Flug nach Mexiko und eine Unterkunft für ein paar Nächte in La Capital. Ohne es zu planen, scheint Mexiko irgendwie zum Dreh- und Angelpunkt unserer Reise geworden zu sein. Als Dankeschön für Alejandro und sein Team grillen wir noch einmal Burger für Alle, die zurzeit vor Ort sind. Ein Mitarbeiter von Alejandro ist übrigens der 18-jährige Rojer, der uns täglich löchert, ob wir ihm nicht bitte bitte Zora schenken können und der noch eine nicht ganz unwichtige Rolle in dieser Geschichte spielen wird.

Bevor wir unsere Zelte im wahrsten Sinne des Wortes abbrechen, stehen noch ein paar weniger schöne Dinge an bzw. passieren einfach. Zunächst einmal erstehen wir ein sauteures Gesundheitszeugnis für den Hund, mit dem wir eine ebenfalls teure Exportgenehmigung bei der Regierung für selbigen erhalten. Die Buchung eines Transports für Zora mit dem Flugzeug erweist sich nicht nur als nochmals unfassbar teuer, sondern auch als höchst kompliziert und ungewiss. Letztendlich greifen wir auf eine „Lösung“ zurück, die zwar nicht günstiger ist, es uns aber erlaubt Zora mit in die Kabine zu nehmen. Wie die genau aussieht werde ich an dieser Stelle nicht dokumentieren, bei Fragen stehen wir aber gerne zur Verfügung ;)! Zu diesem ganzen Hickhack kommt schließlich noch ein Krankheitsfall in unserer Familie hinzu, der glücklicherweise zu guter Letzt verhältnismäßig glimpflich ausgeht, uns aber doch noch einmal deutlich vor Augen führt, wie weit wir momentan von unseren liebsten Menschen entfernt sind. Zwar hat es auf unserer Reise zwischendrin immer wieder Orte gegeben, an denen wir uns eine dauerhaftere Existenz vorstellen konnten, aber die Distanz des amerikanischen Kontinents zu Europa wäre uns auf Dauer einfach zu groß.

Die letzten beiden Nächte in Panama City verbringen wir in einem Hostel in der Nähe des Stadtzentrums und da wir bislang kaum etwas von der Stadt gesehen haben, steht jetzt nochmal ein bisschen Sightseeing an. Das Stadtbild ist zwar eindeutig geprägt von Hochhäusern, Brückenstraßen, die teils direkt über das Meer führen und einer beeindruckenden Skyline. Trotzdem gibt es mit Casco Viejo eine nette kleine Altstadt mit Restaurants, Kneipen und Kopfsteinpflasterstraßen, wo man hervorragend flanieren kann. Das alles macht noch keine Traumstadt, aber es ist trotzdem ganz cool hier und wir genießen die letzten Tage mit gutem Essen und ohne das Gefühl, eine ewig lange To Do-Liste mit Verantwortung im Hinterkopf zu haben.

Und jetzt?!

Ach so, dann bleibt natürlich noch die Frage, was wir mit dem Auto gemacht haben. Kurz und knapp: wir haben Ruby mit der Erlaubnis ihres früheren Besitzers und unsere guten Freundes Jo verschenkt. Bekommen hat sie Rojer, der kleine Bub aus Alejandros Team. Die andere Alternative wäre gewesen, das Auto verschrotten zu lassen und noch 500 US-Dollar dafür zu bekommen. Das fanden wir aber alle drei irgendwie bescheuert, schließlich fährt das Ding ja noch und ist entweder als Strandspielzeug oder mit viel Ahnung und Geduld auch noch zu gebrauchen. So hat Rojer zwar nicht Zora bekommen, aber immerhin das erste eigene Auto (und wir alle haben doch im Grunde genommen mit einer Schrottkarre angefangen).

Und damit beenden wir gleichzeitig das vorerst letzte Kapitel der Panamericana. Der Traum bis ans südlichste Ende des amerikanischen Doppelkontinents, nach Ushuaia in Patagonien zu fahren bleibt jedoch bestehen. Wenn jemand uns in der Vergangenheit fragte haben wir immer gesagt, wir Reisen so lange bis wir kein Geld oder keine Lust mehr haben. Nach drei Jahren des Nomadenlebens neigen sich nun unsere Ersparnisse tatsächlich dem Ende entgegen. Gleichzeitig haben wir irgendwo tief verborgen auch den Wunsch, mal eine Pause vom Reisen und Rumtreiben einzulegen und eventuell für eine Weile so etwas Ähnliches wie sesshaft zu werden. Und trotzdem gleich ein kleiner Spoiler vorneweg: wir machen jetzt nicht nur erstmal Urlaub in Mexiko, sondern nehmen uns auch in Europa noch die Zeit, um mit unseren VW-Bus ein bisschen rumzureisen und herauszufinden, wo und wie wir in Zukunft leben wollen.

Zum Schluss habe ich mir noch einige Notizen gemacht, wie man 1096 Tage Reisen, Erfahrungen, Zweifel und Freude zusammenfassen könnte: wie die unglaublichen Begegnungen beschreiben, die Freundschaften und Hilfsbereitschaft würdigen; wie die Schönheit und Vielfalt der Länder, die wir bereist haben und wie den Geschmack des Essens, das wir probierten in Worte fassen; wie die tiefe Dankbarkeit für diese Möglichkeit und wie die unglaublichen Dinge, die wir gesehen und gelernt haben, sprich ganz einfach unser Leben unterwegs zusammenfassen? Geht nicht, also beenden wir das Ganze besser mit den Worten einer Person, die es sehr einfach ausgedrückt hat:

„Viva la Vida“

Frida Kahlo

Hier gibt es noch einmal ein paar Bilder


[1] Keine Sorge, die beiden sind nicht in Panama verschollen. Ein wenig später kam der Abschleppdienst und hat sie in einer abenteuerlichen Tour bis in die nächste Großstadt mitgenommen.

[2] Außerdem wird die ganze Duschsituation dadurch wieder wett gemacht, dass er für uns einen privaten Aufenthalt im Pool seines Hochhauses mietet – das war tatsächlich mal Planschen mit Ausblick!

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