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Endlich in Alaska

Kapitel 7: Alaska

  • Beitrags-Kategorie:Reiseberichte
  • Lesedauer:16 min Lesezeit

23. August – 14. September 2019; USA: Alaska

Etwas verwirrt stehen wir im winzigen US-Amerikanischen Grenzposten auf dem Top of the World Highway. Was wurde uns alles über die Einreise in die USA erzählt: willkürliche Immigration Officer, fiese Fragen, Fahrzeugdurchsuchungen, Abgabe aller frischen Lebensmittel, auf gar keinen Fall Small Talk oder Scherze machen etc… Der charmante junge Mann, der sich bei uns zunächst einmal wegen seines andauernden Rülpsens entschuldigt, reißt hingegen ein Witzchen nach dem anderen. Außerdem besteht seine einzige Frage darin, ob wir U.S.-Dollar einführen und einem gewissen Unverständnis, als wir dies verneinen. Wir können kaum glauben, dass das ganze Prozedere gerade mal 10 Minuten gedauert hat (inkl. Fingerabdrücke nehmen und Foto schießen), sodass Benny sich tatsächlich vergewissert, ob sie nicht doch noch einen Blick in unser Fahrzeug werfen wollen. Aber nöö, völlig problemlos sind wir am 23. August 2019 in die USA eingereist und haben einen hübschen Aufenthaltsstempel für 90 Tage in unseren Pässen.

Unser erster Halt in Alaska ist der skurrile Ort Chicken, in dem zwar nur 7 Menschen leben, der es aber aufgrund von seltsam anmutenden Touri-Attraktionen (bspw. nem rießigen Huhn, einer Golddredge und ähnlichem Schwachsinn) zu einer gewissen Bekanntheit geschafft hat. Für uns ist Chicken eigentlich ausschließlich deshalb erwähnenswert, weil wir dort unseren ersten Americam Pie verspeisen und eine lustige Bekanntschaft mit zwei Reisenden aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Stuttgart machen, der wir uns sehr verbunden fühlen! Lang hält es uns dort aber nicht, wir wollen schließlich in zwei Tagen in Anchorage sein. Da holen wir Bennys Papa ab, der uns für drei Wochen besuchen kommt. Auf unserem Weg fahren wir mal wieder ein paar wirkliche Traumstraßen entlang, wo uns Berge, Gletscher, Seen und eine sich herbstlich färbende Landschaft begleiten – außerdem sind die Temperaturen mit 20° Celsius im Vergleich zum Yukon geradezu sommerlich. Aber wie wir gelernt haben: je schöner die Straße, desto schlechter fürs Auto! Auf dem Weg durch eine 16 Meilen lange Baustelle haben wir Reifenpanne Nummer zwei und da sie diesmal mir passiert, überlegen wir uns einen kleinen Wettbewerb zu starten, wer von uns auf der Reise wohl mehr Reifen kaputt fährt :-). Dank neuen Werkzeugs ist die Geschichte diesmal aber nur halb so spannend, der neue Reifen innerhalb einer Viertelstunde drauf und wir schaffen es pünktlichst nach Anchorage.

Nicht ganz so pünktlich kommt Bennys Papa Georg in Deutschland los, um seinen Flug in Frankfurt zu erwischen. Am Abend vorher haben wir nochmal telefoniert und waren angesichts des Zeitplans schon etwas besorgt: Lediglich vier Stunden vor Abflug wollte er mit meinem Dad von Stuttgart aus los, der ihn zum Flughafen gebracht hat (Fahrtdauer ca. 2 ½ Stunden, aber dann darf wirklich kein bisschen Verkehr sein). Abgemacht hatten wir, dass uns Georg kurz vor Abflug eine kurze Nachricht schickt, ob alles geklappt hat. Wir hören gar nichts von ihm… und werden nervös! Irgendwann komm ich dann auf die Idee, mal mein Handy anzumachen und habe tatsächlich eine Nachricht von meinem Dad: sie standen so lange im Stau, dass Georg am Flughafen drei Minuten vor Ende des Boarding durch die Sicherheitskontrollen gerannt ist und in der ganzen Aufregung sein Handy vergessen hat. Naja, ein grenzwertig angespanntes Nervenkostüm bei Benny und einige Stunden später können wir Georg vollster Freude in die Arme schließen!

Die ersten gemeinsamen Nächte wollen wir gemütlich angehen lassen und fahren auf einen Campingplatz auf der Kenai-Peninsula in der Nähe von Anchorage. Hier zeigt sich aber auch gleich der Nachteil des guten Wetters: es ist der heißeste Sommer in Alaska seit Beginn der Aufzeichnungen und Waldbrände sind leider an der Tagesordnung! Wir haben erstmal noch Glück und außer einem stetigen Dunstschleier und Brandgeruch ist im Norden der Halbinsel nichts weiter von den Bränden bemerkbar – allerdings dürfen wir verständlicherweise kein Lagerfeuer machen, sodass der mühsam ausgeklügelter Willkommens-Essensplan etwas durcheinander geworfen wird. Trotzdem verbringen wir zwei sehr schöne Abende im Chugach Forest, mit vielen lustigen Geschichten aus der Heimat, ner Flasche Wein von unserem Lieblingsweinhändler aus Stuttgart und dem fantastischen Gefühl, mal wieder Familie um sich zu haben.

Als wir weiterfahren holen uns dann die Waldbrände ein: Auf dem Weg nach Seward, einer angeblich netten Stadt auf der Kenai-Peninsula umgeben von hohen Bergen, werden die Rauchschwaden immer dichter und als wir da sind, sehen wir keine 50 Meter weit. Das ist nicht nur etwas unattraktiv, sondern tatsächlich auch nicht ganz ungefährlich. Kaum angekommen, entscheiden wir uns deshalb auch wieder zurück zu fahren. Wie sich herausstellt absolut zu recht, denn wenige Stunden später muss die Straße komplett gesperrt werden. Stattdessen landen wir in Whittier, einem kleinen Küstenort, von wo aus wir ein Stück mit der Fähre auf dem Alaska Marine Highway fahren wollen. In Alaska gibt es unzählige Orte, die nur mit dem Schiff oder per Flugzeug erreichbar sind (unter anderem auch die Hauptstadt Juneau), sodass diese Art der Fortbewegung sehr alltäglich ist. Bevor wir also eine überteuerte und touristische Whalewatching-Tour buchen, wollen wir unser Glück wagen, ein Stück des Weges per Schiff zurücklegen und hoffen, auf diese Art gleich noch einen Blick auf Wale zu erhaschen (hat schließlich auch schon mal in Kanada funktioniert, siehe Kapitel 1). Was wir auf den acht Stunden Schifffahrt durch den Prince William Sound dann alles sehen, hätten wir so allerdings doch nicht erwartet: bei strahlenstem Sonnenschein passieren wir hunderte kleine Inseln, fahren vorbei an mächtigen Gletschen, beobachten Delfine, Seelöwen und Seeotter und als Highlight einen Buckelwal, der direkt an der Fähre vorbei schwimmt – Worte können das eigentlich gar nicht so richtig beschreiben, deswegen schaut euch lieber die Fotos an.

Begeistert, aber auch etwas erschöpft ob der tierreichen Superlative, kommen wir abends in Valdez an – einer netten Kleinstadt, mit weniger nettem Industriehafen, da sie gleichzeitg das Ende der Alaska-Pipeline markiert (manche erinnern sich villeicht noch an Exxon Valdez!). Mittlerweile ist Valdez aber auch dafür bekannt, das hunderte wenn nicht tausende Kaninchen frei durch die Stadt hoppeln und da wir zum ersten Mal zu dritt (mit gesamten Gepäck) im Bus bei der Stadtbibliothek übernachten, werden wir morgens auch gleich von ihnen begrüßt. Nach einer kleinen Sightseeingrunde, steht aber mal wieder unser Bus im Vordergrund: mittlerweile haben wir die Kilometeranzahl bis zum Ölwechsel aufs äußerste ausgereizt und es wird dringend Zeit für denselbigen! Da es uns unmöglich war das passende Öl für unseren Bus und Tuning aufzutreiben, haben wir schweren Herzens eine halbwegs vertretbare Alternative besorgt und suchen nun eine Werkstatt auf. Mal abgesehen davon, dass drei Mechaniker eine halbe Stunde benötigen, um die Ölabflussscharaube aufzubekommen, ist auch kein passender Ölfilter in Sicht. Weit nach Feierabend und reichlich genervt, bauen die Jungs etwas halbwegs funktionierendes ein – aber irgendwie sind wir etwas skeptisch. Leider zu recht, wie sich herausstellen soll…

Zunächst aber fahren wir weiter in den Wrangell St. Elias Nationalpark. Hierbei handelt es sich tatsächlich um den größten Nationalpark der USA, in dem sich sich neun der 16 höchsten Gipfel befinden (drei davon aktive Vulkane) und der etliche Gletscher beherbergt sowie eine stillgelegte Kupfermine, die bei dem kleinen Ort McCarthy zu finden ist. Kurz vor der Einfahrt in den Park übernachten wir am Chitina River und Georg ist das erste Mal so richtig in der Wildnis (Schwarzbären inklusive). Weil es so schön ist, legen wir dort auch gleich einen Pausentag ein, waschen uns und Wäsche, klopfen eine weitere Dempster-Highway Matschschicht vom Bus und bauen ein Außenklo, auf dem Georg, bei Benutzung desselbigen inmitten stockdunkler Nacht seltsam schnaufende Geräusche neben sich hört (ob Bär, Elch oder Kaninchen konnte nicht abschließend geklärt werden ;-). Und obwohl es für uns sehr befremdlich ist (und wohl immer bleiben wird) erklärt sich dadurch vermutlich auch, warum so viele der super freundlichen und sehr hilfsbereiten Menschen in Alaska, immer mit einer Waffe rumrennen – sei es auf einer Autofahrt, in der Tankstelle oder beim Essen gehen.

Nach diesen zwei erholsamen Tagen geht es los Richtung McCarthy, es liegen mal wieder 80 km Fahrt auf einer Schotterpiste vor uns. Aber nach dem Dempster Highway denken wir leichtsinnig und eventuell auch etwas überheblich, was solls… Tja, Schotter ist nicht gleich Schotter stellen wir einige Stunden und 50 km später fest. Im Gegensatz zum Dempster Highway handelt es sich hier um die reinste „Waschbrett-Straße“, sprich fiese kleine Bodenwellen, die den Bus in permanente, ungesund wirkende Schüttelbewegungen versetzen. Wie ungesund, stellen wir kurz später fest: gerade haben wir kollektiv entschieden, dass wir es wohl eher nicht bis nach McCarthy schaffen und suchen uns einen Platz zum pennen, als der Bus anfängt sehr seltsam zu riechen. Eigentlich haben wir mittlerweile gelernt, dass ein solcher Geruch ein untrügliches Zeichen für eine Reifenpanne ist, aber kaum am Straßenrand abgestellt, sehen wir eine Ölspur am Boden und Rauch, der aus der Motorhaube aufsteigt. Nach der ersten Sorge, es könne sich um Motoröl handeln, haben wir ziemlich schnell die Stoßdämpfer als Ursache identifiziert: nach insgesamt 250.000 km Laufleistung und über 2500 km Schotterpiste allein in den letzten vier Wochen, haben wir unser Glück wohl etwas überstrapaziert und der Kleine Onkel keinen Bock mehr!

Zwei Tage später sind wir (wieder) in Glennallen. Wir sind die ca. 150 km dorthin bei durchschnittlich 15 km/h Schneckentempo gefahren, mussten einen weiteren Reifen wechseln (geht auf Bennys Konto) und auch das Ersatzbenzin hat dran glauben müssen. Als wir sehr erleichtert die einzige Werkstatt der Kleinstadt erreichen, stellen wir fest, dass Feiertag ist (ist in der Aufregung irgendwie untergegangen) und wir zwei Tage warten müssen. Wir verbringen die Zeit bei einem Aussichtspunkt in der Nähe (könnten Berge höhnisch grinsen, würde ich eine Wette eingehen, der St. Wrangell hat es in diesem Moment getan), unternehmen kleinere Ausflüge und hätten beinahe noch einen kleinen Welpen adoptiert – der kann wenigstens nicht kaputt gehen ;-)… Blöderweise sind wir nach diesen zwei Tagen auch nicht viel weiter: der Mechaniker meint nur, da könne er auch nichts machen und wir sollten doch besser nach Anchorage fahren. Weitere 300 km im Schleichtempo liegen vor uns und bei jeder Unebenheit bekommen wir eine mittlere bis schwere Krise. Wie genau wir es nach Anchorage schaffen, habe ich inzwischen erfolgreich verdrängt. Tatsache ist, dass wir irgendwann ankommen, eine Werkstatt finden, deren Chef selbst VW-Bus fährt und der uns ohne viel Aufhebens weiterhelfen kann. Weitere zwei Tage später (die Ersatzteile mussten aus Kalifornien eingeflogen werden, nicht unbedingt ein Schnäppchen) und Nächte zu dritt im Bus auf dem Parkplatz eines Sportgeschäfts, ist unser treuer Bus mit extra starken Stoßdämpfern ausgestattet und wir fragen uns ein wenig, warum wir nicht schon früher auf die Idee gekommen sind, solche einbauen zu lassen.

Aber egal, wir können weiter und freuen uns sehr aus der Stadt rauszukommen (auch wenn die Klos des Sportgeschäfts eine Eins mit Sternchen von Georgs fachkundigen Augen bekommen haben). Um die Erlebnisse der letzte Tage etwas sacken zu lassen und bevor wir ein absolutes Highlight in Alaska anpeilen, verbringen wir zwei Nächte im kleinen Talkeetna, das einerseits und für uns sehr unerwartet super touristisch, aber auch irgendwie auch ziemlich charmant ist. Dort genießen wir die ausgezeichntete Kleinbrauerei vor Ort, können endlich wieder Lagerfeuer machen, sehen zum ersten Mal den höchsten Berg Amerikas und entspannen uns in der gelassenen Atmosphäre. Aber obwohl wir uns alle sehr wohlfühlen und eigentlich noch ein paar Tage zum relaxen gebrauchen könnten, haben die Ereignisse der letzten Tage unseren Zeitplan doch etwas durcheinander geworfen. Wir fahren weiter in den Denali Nationalpark, benannt nach oben erwähntem Berg und uns erwartet mal wieder eine unglaubliche Natur und Wildnis. Da man mit dem eigenen Fahrzeug nur die ersten 15 km in den Park reinfahren darf lädt uns Georg auf eine Busfahrt in den Park ein, wo wir die ganze Pracht der Landschaft und Tierwelt erleben dürfen. Wir sehen unzählige Grizzlys, Elche und Karibus; können den mächtigen Denali mit seinen über 6000 Meter Höhe erneut aus der Nähe bestaunen (was ziemlich viel Glück bedeutet, da sich dieser nur sehr selten außerhalb des niedrig hängenden Wolkenschleiers befindet) und genießen die karge, aber in herbstlichen Farben leuchtende Umgebung.

Bevor sich unsere gemeinsame Zeit mit Georg dem Ende zuneigt, wollen wir ihn noch einmal in den Genuss von heißen Quellen kommen lassen – damit er wenigstens ein bisschen erholt zurück nach Deutschland kommt. Die letzten Abende verbringen wir also bei den Chena River Hotsprings, die zwar etwas kommerzieller und teurer sind als ihr Pendant in Kanada, aber trotzdem den gewünschten Effekt der absoluten Erholung bieten. Einen Tag lang lassen wir uns, bei zum ersten Mal schlechterem Wetter in Alaska, vom heißen Wasser aufweichen, braten zum Abschied einen Original Alaska-Lachs (zu dem es Original schwäbischen Kartoffelsalat gibt) und lassen am Lagerfeuer die fantastische Zeit zu dritt Revue passieren.Mitte September ist es dann trotzdem viel zu schnell soweit und wir fahren nach Fairbanks, um Bennys Papa zum Flughafen zu bringen.

Und während wir noch, nach einem schwerfallenden Abschied, beide und wieder nur zu zweit unseren Gedanken nachhängen, wird uns plötzlich folgendes bewusst: fast auf den Tag genau fünf Monate, nachdem wir selbst in Deutschland losgeflogen sind und nach 20.000 Kilometern zurück gelegtem Weg, sind wir am eigentlichen „Beginn“ unserer Panamericana-Reise angekommen – der absolute Wahnsinn!

Zur vollständigen Bilderreise geht´s hier…

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