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Kapitel 8: Endlich auf der Panamericana

  • Beitrags-Kategorie:Reiseberichte
  • Lesedauer:9 min Lesezeit

15. September – 02. Oktober 2019; Kanada: Yukon Territory & British Columbia

Jahrelang haben wir von ihr geträumt! Selbst in Ausbildung und Studium jeden noch so kleinen Cent gespart. Wir haben Pläne geschmiedet und wieder verworfen. Sehnsüchtig Reportagen, Blogs und Bilder angeschaut. So einige Urlaube, den Erwerb von „Luxusgegenständen“ und Karrierechancen diesem einem Traum untergeordnet: unterwegs sein auf der Panamericana! Genau genommen handelt es sich hierbei nicht um eine konkrete Straße, sodern vielmehr um ein Netz aus Straßen, das sich von Ushuaia ganz im Süden Argentiniens, über Zentralamerika bis nach Alaska in den USA zieht und somit Nord- und Südamerika miteinander verbindet.[1] Aber welche Route auch immer zu dieser Traumstraße gezählt wird: wir sind angekommen und wissen zwar nicht wie weit wir kommen, haben aber fest vor jeden Kilometer auf ihr zu genießen!

Soviel zur Theorie… In der Praxis fahren wir von Fairbanks aus relativ zügig Richtung Kanada und freuen uns schon sehr darauf, noch einmal ein paar Wochen dort zu sein. In den letzten Monaten ist uns Kanada vertraut geworden und wir haben dort so viele tolle Leute kennengelernt, dass es sich fast ein bisschen wie nach Hause kommen anfühlt. Dazu passt auch, dass sich das Wetter schlagartig wieder verschlechtert und wir bei strömenden Regen über die Grenze fahren. Und irgendwie sind wir ebenso wenig überrascht, nach zwei Kilometern die nächste Reifenpanne verbuchen zu müssen! So langsam ist es amtlich: nach einem munteren „Reifenroulette“ an unseren Hinterrädern, wird es nach gut 60.000 km Zeit, auch diese auszuwechseln. Da wir ohnehin wieder durch Whitehorse müssen, wollen wir dort das Thema endgültig abschließen (wird ja auch langsam langweilig, immer über Reifenpannen zu schreiben, geschweige denn zu lesen :-).

Auf unserem Weg nach Whitehorse kommen wir aber noch durch den fantastischen Kluane Nationalpark und da bei windigen 15° C trotzdem die Sonne scheint, können wir nicht wiederstehen und bleiben zwei Tage. Das trägt zwar enorm zu unserer Entspannung bei, lässt uns aber auch etwas nachlässig werden, sodass wir uns beide zum ersten Mal unterwegs so ne richtig fette Erkältung einhandeln. In Whitehorse steht, statt auskurieren, trotzdem Reifen organisieren auf dem Programm. Wir wollen auf dem Rückweg als Alternative zum Alaska Highway, den wir ja schon kennen, gerne den Stewart-Cassier Highway nehmen. Sollte es überhaupt möglich sein, ist der noch abgeschiedener und dort ohne Ersatzreifen unterwegs zu sein, ist keine so gute Idee (abgesehen vom fehlenden Handyempfang, fahren den nämlich auch noch wesentlich weniger Menschen). Aber denkste: jeder Versuch in der Hauptstadt des Yukon passende Reifen aufzutreiben scheitert kläglich! Ziemlich entnervt telefoniere ich zwei erfolglose Tage später mit mehreren Läden im 1600 km entfernten Prince George, damit wir wenigstens dort unsere Reifen bekommen. Bleibt noch die Frage, wie wir wegen des Stewart-Cassier Highways verfahren. So ganz ohne Ersatzrad fühlen wir uns echt unwohl und kaufen, getreu dem Motto eines klugen jungen Mannes „besser haben als brauchen“, einen gebrauchten Reifen, der zwar nicht passt, uns im Notfall aber bis zum nächsten Ort bringen würde.

Und tatsächlich haben sich die 60 kanadischen Dollar für ein nicht passendes Rad gelohnt. Nicht weil wir es brauchen, sondern weil es uns die nötige Sicherheit gegeben hat, diese hammer geile Straße zu fahren! Gleich am ersten Tag sehen wir ein Schwarzbärenjunges, das mit seiner Mutter völlig entspannt unseren Weg kreuzt, fahren zum wunderschönen und einsam gelegenen Dease Lake, wo Benny endlich wieder angeln kann und biegen schließlich ab nach Stewart, einen kleinen Ort am Ende eines Fjords, der für seine springenden Lachse, Bären und Gletscher berühmt ist. Und obwohl wir eigentlich schon zu spät dran sind, sehen wir an der „Meziadin Fish Ladder“ tatsächlich noch einige Lachse, die (meist vergeblich) versuchen die Wasserfälle hoch zu springen. Ein weiteres Highlight am Wegesrand sind die fantastischen (und vor allem echten!) Totempfähle in der Nähe von Kitwanga, an denen ich mich kaum satt sehen kann. Und trotzdem freuen wir uns nach fünf Tagen Prince George zu erreichen, die drei neuen Reifen zu bekommen und, zwar um ein paar hundert Dollar leichter, dafür aber mit einem guten Gefühl und der Hoffnung, dieses Kapitel erst einmal für lange Zeit abgeschlossen zu haben, Richtung Süden zu fahren.

Bis zur US-amerikanischen Grenze liegen noch 800 km vor uns, für die wir aber komfortable zwei Wochen Zeit haben, bevor unser Aufenthalt in Kanada endet. Was uns jedoch etwas im Nacken sitzt ist die langsam immer präsenter werdende Kälte, sodass wir die nächsten Tage doch mehr fahren, als ursprünglich geplant. Erst beim kleinen Ort Lillooet in der Nähe des super touristischen Whistlers bleiben wir dann wieder für ein paar Tage. Dort genießen wir die für kanadische Verhältnisse warmen Nächte, reinigen unseren Abwassertank (der in den letzten Wochen einen etwas unangenehmen Geruch verbreitet hat), wachsen und polieren den Bus nochmal, bevor es wieder an die salzige Mereesluft geht und nutzen die Pausen zwischen unserem (Arbeits-) Alltag, um durch die Canyonlandschaft zu wandern.

Unsere vorläufig letzte Straße durch Kanada ist der Sea-to-Sky Highway, der seinem Namen alle Ehre macht. Auf seinem Weg von Whistler nach Vancouver führt er über Bergpässe, wo wir plötzlich durch eine frisch verschneite glitzernde Winterlandschaft fahren. Nur wenige Kilometer später sitzen wir wiederum bei sommerlichen 20° C am Meer und können vorsichtig die Zehenspitzen ins Wasser stecken. Und während im Rest des Landes die Tourismus-Saison Ende September bereits langsam rum ist, sind wir hier aufgrund des milden Klimas wieder mittendrin. Am Sea-to-Sky Highway ist es kaum möglich ein Plätzchen zum freien übernachten zu finden und auch die Campingplätze sind a) alle belegt und b) total überteuert  – wir nähern uns Vancouver, der schillernden Metropole an Kanadas Westküste!

Dort verbringen wir unsere letzten Tage in Kanada, was sich echt etwas komisch und surreal anfühlt. Nicht nur, dass wir seit Halifax an keinem Ort mehr waren, der auch nur annähernd den Titel „Großstadt“ verdient hätte. Auch das Wissen, dass der erste große Abschnitt unserer Reise bald vorbei ist, ist irgendwie seltsam. Aber Vancouver ist eine sehr abwechslungsreiche Stadt, deswegen sind wir ganz gut abgelenkt. Wir verbringen unsere Tage damit durch den Stanley Park zu schlendern, schauen uns staunend die fantastischen Märkte an, genießen das vielfälitige asiatische Essensangebot in den unzähligen kleinen Restaurants und Buden, sind schockiert, als wir die unzähligen Obdachlosen und Drogenabhängigen in Chinatown sehen und hängen das erste Mal seit Monaten für mehrere Stunden nicht miteinander rum, als ich das Museum of Anthropology und den Campus der University of British Columbia besuche. Und trotzdem, am 02. Oktober 2019 heißt es nach fast 180 Tagen Abschied nehmen… Kanada wird uns eindrücklich in Erinnerung bleiben. Als ein rießiges Land voller Schönheit und unbändiger Natur. Als Heimat von Menschen, die unfassbar hilfsbereit, offen und warmherzig sind. Als erstes Ziel einer langen Reise, dass uns den Einstieg in unser neues Leben so spannend, abwechslungsreich und trotzdem leicht gemacht hat. Wir kommen wieder – definitiv!

Alle weiteren Bilder findet ihr hier


[1] Dass wir im Norden begonnen haben, hat einen einfachen Grund: wir wollten im Frühjahr 2019 los und da beginnt in Südamerika der Winter, in Nordamerika hingegen der Sommer – dachten wir zumindest ;-)…

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Michaela Domnich

    Ach, es ist immer wieder eine Freude euren Bericht zu lesen und die schönen Bilder dazu zu sehen. Danke euch für eure Mühe und das Teilhabenlassen….ich bin schon auf USA und Mexiko! Und hoffe ihr habt mit Zora noch genug Zeit. Drück euch 😘!

    1. Lena & Benny

      Liebe Ela,
      Danke für Dein Kommentar! Das neue USA Kapitel ist jetzt online und Deine Tipps waren Gold wert! Wir können sehr gut verstehen, dass es Dir damals so gut gefallen hat…
      Liebe Grüße

  2. Michaela Domnich

    Schade, da kann ich gar nicht korrigieren, dass noch ein gespannt rein soll…😉

  3. Gerrit

    Wunderschön zu lesen! Erinnert mich immer an meine zeit in canada!☺️ Verrückt, dass die amis/kanadier sich so schwer tun, den passenden reifen aufzutreiben🙄
    Gute fahrt euch!😉

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